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Reform der Filmförderung: Was Claudia Roth plant – und wo es noch hakt - DER SPIEGEL

Kulturstaatsministerin Claudia Roth bei ihrer Rede auf dem Produzententag in Berlin

Kulturstaatsministerin Claudia Roth bei ihrer Rede auf dem Produzententag in Berlin

Foto: Mike Schmidt / IMAGO

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Der Jubel war sofort laut, dann stand das Publikum sogar für Ovationen auf. Als Claudia Roth am Donnerstagvormittag bei der Branchenkonferenz der Produzentenallianz ihre Pläne für die Reform der Filmförderung vorstellte, schlug ihr breite Zustimmung entgegen. Eine mutmaßlich ungewohnte Erfahrung, war doch Roths erstes Jahr als Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) nicht gerade von politischen Erfolgen und kreativen Impulsen  geprägt. Besonders die Filmbranche hatte sie verärgert , als sie zur Eröffnung der Berlinale 2022 eine Reform der Filmförderung in Aussicht gestellt hatte, sie dann aber um ein Jahr verschob.

Den stürmischen Applaus der Produzentinnen und Produzenten haben sich Roth und ihr Haus nun schwer erarbeitet. Hieß es aus der Branche erst, dass Roth kein Ohr für die Belange der Filmindustrie habe, haben die BKM und ihre Mitarbeitenden in den vergangenen Monaten viele, in Roths Worten »unzählige« Gespräche zur überfälligen Reform des Filmfördergesetzes (FFG) geführt. Seit Jahrzehnten gelten die deutschen Förderstrukturen als zu langsam, zu kompliziert und als ineffizient – bei einem Gesamtfördervolumen für die Filmbranche von 600 Millionen Euro ein unhaltbarer Zustand.

Gemündet sind die Gespräche nun in einem Plan, der viele Kritikpunkte aufnimmt und sie in ein Gesamtkonzept einbindet: Die Filmbranche wird umfassender als bisher gedacht, nämlich von der Stoffentwicklung über ökologisch und sozial nachhaltige Dreharbeiten bis hin zur Auswertung in den Kinos und auf den Streaminplattformen. »Endlich wird die Kinobranche ganzheitlich betrachtet«, befand etwa Leila Hamid vom X Filme Verleih nach der Vorstellung das Vorhaben. Als »Grundstein für die Zukunftsfähigkeit und Stabilität der Filmförderung« lobte ein Bündnis aus Produzentenallianz, Filmakademie, AG DOK und Produzentenverband die Pläne.

Der Reformplan

Sieben Eckpunkte umfasst die Reform, die bis Ende des Jahres in einem Gesetzentwurf münden und Anfang 2025 in Kraft treten soll:

  1. Die Stoffentwicklung soll gestärkt werden, damit das Potenzial von Projekten besser ausgearbeitet werden kann. Gleichzeitig soll es einfacher und risikoärmer werden, Projekte zu stoppen, die sich wenig vielversprechend weiterentwickeln. War es zuvor schwieriger, Geld für die Stoffentwicklung zu bekommen, soll nun die Produktionsförderung anspruchsvoller werden.

  2. Dokumentar-, Kurz- und Nachwuchsfilme sowie der künstlerische Film sollen eine eigene Förderschiene jenseits marktwirtschaftlicher Ansprüche erhalten, damit der künstlerische Anspruch im deutschen Kino gewahrt und entwickelt werden kann.

  3. Automatische Fördermechanismen sollen gestärkt werden, möglichst in einer Kombination aus Standort- und Referenzförderung. Auch das österreichische Modell, das eine automatisierte Förderung ohne Deckelung vorsieht, wird von Roth nicht ausgeschlossen. Ebenso drängt sie auf eine Investitionsverpflichtung für Streaminganbieter, die bislang nicht in die deutschen Förderstrukturen einzahlen.

  4. Alle filmpolitischen Aufgaben, die auf Bundesebene anfallen, sollen in einer neuen Institution namens Filmagentur gebündelt werden. Dazu gehören die vor allem marktwirtschaftlich ausgerichtete Filmförderungsanstalt (FFA) sowie die kulturelle Filmförderung, die beim BKM angesiedelt wird. In der Filmagentur würden beide Förderungen unter einem Dach zusammengefasst.

  5. Die Förderinstrumente von Bund und Ländern sollen stärker verzahnt werden. Damit Produktionen nicht von Länderförderung zu Länderförderung tingeln müssen, soll es bei der Bundesförderung eine Mindestförderquote geben. Aufbauend auf dieser können dann die restlichen Gelder bei den Länderförderern beantragt werden. Ziel ist es, die Zahl der an einem Projekt beteiligten Förderungen deutlich zu senken und damit auch den bürokratischen Aufwand zu begrenzen. Die Einbindung der öffentlich-rechtlichen Sender in die Filmförderung soll dabei bestehen bleiben.

  6. Die Sichtbarkeit der Bandbreite des deutschen Films soll gesteigert werden, da sich Aufmerksamkeit und Zuschauerzahlen bislang auf wenige Produktionen konzentrieren. Dazu soll die hiesige Verleiher- und Kinolandschaft gestärkt werden, indem die Kinos bei der Auswertung Vorrang haben sollen, anschließend aber passgenauer verhandelt werden kann, wie und wo ein Film sonst noch laufen kann.

  7. Diversität, Geschlechtergerechtigkeit und Nachhaltigkeit sollen sowohl als Ziele als auch als Grundlagen der Förderstrukturen verfügt werden.

Als achten Punkt nannte Roth in ihrer Rede sowie in einem Gastbeitrag für die »Süddeutsche Zeitung«  noch die Einführung des Kulturpasses, durch den 18-Jährige ein Kulturbudget von einmalig 200 Euro erhalten. Zwar ist die Maßnahme vielversprechend – Erfahrungen aus Frankreich haben gezeigt, dass junge Erwachsene das Geld vorrangig für Bücher und Kinokarten ausgeben –, sie wird aber nicht Teil des Gesetzentwurfs werden. Die Erwähnung des Kulturpasses ist daher am besten als ein kleines Selbstlob von Roth zu verstehen, was ihr Haus nach Monaten der Kritik doch an gelungenen Projekten vorzuzeigen hat.

Die Baustellen

Bei allem Lob, das nun auch für den Reformplan angebracht ist, ist dennoch nicht zu übersehen, dass zwei große Baustellen kaum bearbeitet wurden: die Rolle der Länderförderer sowie die Einbindung von ARD und ZDF. Da die Länder zuständig für die regionalen Förderungen sind, hat Roth als Bundespolitikerin offiziell wenig Handhabe, für tief greifende Reformen zu sorgen. Doch es scheint auch der politische Wille zu fehlen, die Länder in eine gemeinsame Initiative einzubinden und den bürokratischen Wildwuchs von elf regionalen Förderern grundlegend einzudämmen.

Ebenso verschleppt wird die Loslösung der öffentlich-rechtlichen Sender aus der Filmförderung. ARD und ZDF haben sich in den vergangenen Jahren bereits immer weiter aus der Kinofilmförderung zurückgezogen. Sie nun wieder an ihre Verpflichtungen zu erinnern, erscheint zunächst sinnvoll, schließlich bindet sie ihr kultureller Auftrag. Doch angesichts der andauernden Diskussionen über die Kernaufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Engagement für den Kinofilm wieder zur Disposition stehen wird. Hier sollte die Politik besser gleich aktiv werden und für eine Kompensation der Beiträge von ARD und ZDF sorgen.

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    Die größte Herausforderung für Roth dürfte allerdings die Durchsetzung der Investitionsverpflichtung für die Streamer werden. Solche Verpflichtungen gibt es auch in anderen Ländern, zuletzt hat die Schweiz sie implementiert. Doch von Produzentenseite aus ist zu hören, dass einzelne Plattformen bereits Produktionen in Länder ohne Verpflichtungen verlagern. Die Verhandlungen mit Netflix und Co. dürften entsprechend hart werden.

    Mit ihrem Reformplan hat Roth so auch einen Lackmustest für sich selbst vorgelegt: Am Ende des Jahres, wenn der Gesetzentwurf vorliegt, wird sich zeigen, wie politisch durchsetzungsfähig sie als BKM ist. Mal sehen, wie die Stimmung zur nächsten Berlinale ist.

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