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Mehr als ein Elfmetertöter: Kroatien war mit nur einem Gegentreffer durch die Gruppenphase gekommen. Lob dafür bekam die stabile und erfahrene Abwehr und Belgiens Angreifer Romelu Lukaku, der auf skurrile Art und Weise Chancen ausließ. Etwas zu kurz kam dabei die Leistung von Keeper Dominik Livaković. Sechsmal parierte er in der Gruppenphase – spätestens nach dem Achtelfinale kennt den 27-Jährigen die ganze Fußballwelt. Im Elfmeterschießen gegen Japan parierte der Keeper von Dinamo Zagreb die ersten beiden japanischen Versuche, ehe er dann doch mal einen passieren lassen musste. Dennoch: Schalkes Maya Yoshida, der vierte Schütze der Japaner, trat schon sichtlich verunsichert in Richtung Elfmeterpunkt, schob den Ball ins linke untere Eck. Dort lag Livaković bereits, bevor der Ball das Tor erreichte.
Ergebnis: Kroatien steht nach einem 3:1 (1:0, 1:1, 1:1) nach Elfmeterschießen im WM-Viertelfinale. Japan verpasste den erstmaligen Einzug unter die besten acht Teams der Welt und ist raus. Hier geht es zum Spielbericht.
Meister der Effizienz: Mittlerweile wird das eigentlich so einfache und doch so komplizierte Spiel Fußball mithilfe allerlei Metriken vermessen. Eine, die sich durchgesetzt hat, ist die Ermittlung der zu erwartenden Tore, der Expected Goals. Deutschland hätte aufgrund seiner Chancen in der Vorrunde 10,1 Tore erzielen können. Am Ende waren es sechs und das Vorrundenaus. Japan und Kroatien machten aus 3,8 zu erwartenden Toren immerhin vier. Kalte Effizienz.
Volle Attacke: Zu Beginn des Spiels wollten sich beide Teams nicht darauf verlassen, aus jeder Chance ein Tor zu machen. Japans Shogo Taniguchi köpfte früh drüber (3.), Ivan Perišić schloss unkonzentriert ab (8.). Andrej Kramarić rutschte knapp am Ball vorbei (28.), Frankfurt-Star Daichi Kamada wuselte sich durch und zielte zu hoch (41.). Es war ein unerwartet munteres Spiel.
Wieder Millimeter: Die Führung gelang dann den Japanern. Nach einer Eckenvariante flankte Junya Ito in die Mitte, der Ball sprang vor die Füße von Daizen Maeda, der aus wenigen Metern traf (43.). Die Japaner jubelten – und zögerten dann. Der Treffer wurde – natürlich – überprüft. Abseitsverdacht. Kurze Zeit später die Auflösung: Die Weltregie spielte Bilder ein, die beweisen sollten, dass kein Abseits vorlag. Ersichtlich war das nicht, es ging um Millimeter. Wie schon bei Japans Siegtor gegen Spanien, als der Ball knapp nicht im Aus war.
Kroatische Allstars: Seit 2006 stand in der WM-K.-o.-Phase keine so alte Startelf mehr auf dem Platz wie jene, die Kroatien gegen Japan ins Rennen schickte. Die alten Recken spielten ihre ganze Erfahrung aus. Die japanische Führung? Löste höchstens ein Schulterzucken aus. Kroatien ist eine Mannschaft, die seit Jahren gewachsen ist, in sich ruhend. Und keiner ist sich zu schade für Drecksarbeit. Luka Modrić half immer wieder in der Abwehr aus, warf sich in Zweikämpfe und schleppte die Bälle nach vorne. Je länger das Spiel dauerte, desto sicherer wurden die Kroaten.
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Ronaldo, Messi und? Mit all ihrer Erfahrung kamen die Kroaten dann auch zum Ausgleich: Dejan Lovren, 33, flankte auf Perišić, 33, der am zweiten Pfosten lauerte und den Ball per Kopf aus rund 13 Metern ins Tor wuchtete (55.). Perišić überholte mit seinem zehnten WM-Treffer den bisherigen kroatischen Rekordhalter Davor Šuker. Der Flügelspieler von Tottenham Hotspur hat sich in einen illustren Kreis geschossen. Nur vier Spieler haben bei den vergangenen drei WM-Endrunden getroffen. Lionel Messi, klar. Cristiano Ronaldo, klar. Etwas überraschender: Xherdan Shaqiri. Und nun Perišić.
So weit die Beine tragen: Es scheint, als wollten die betagten Kroaten ihre Turniere immer bis zur letzten Sekunde ausreizen. Jedenfalls gingen sieben der letzten acht K.-o.-Spiele bei großen Turnieren der Kroaten in die Verlängerung. Bei der WM 2018 siegte Kroatien im Achtelfinale und im Viertelfinale nach Elfmeterschießen, das Halbfinale gegen England entschied Mario Mandžukić in der Verlängerung. Im Endspiel gegen die übermächtigen Franzosen war der Tank dann leer.
Immer noch beweglich: Ivan Perišić
Foto: IMAGO/Zheng Huansong / IMAGO/XinhuaErhobenen Hauptes: Japans Trainer Hajime Moriyasu ist ein Meister seines Fachs, die Siege gegen Deutschland und Spanien waren kein Zufall. Auch gegen Kroatien ließ er seine Mannschaft variabel auftreten. Anfangs aggressiv, dann igelte sich Japan hinten ein und lauerte auf Konter. In der Verlängerung beorderte er seine Spieler weiter nach vorne, gefährlich wurden aber beide Teams nicht mehr. Dennoch: In Japan wächst was zusammen. Dass die Mannschaft disziplinierten Fußball spielen kann, ist nicht neu. Die Leidenschaft, mit der die Japaner mittlerweile zu Werke gehen, war zuvor selten zu sehen. Moriyasu weinte vor dem Spiel beim Abspielen der Hymne und jubelte beim Führungstreffer wie nach einem Titel. Japan fährt stolz nach Hause.
Kein Keeper-Problem: Dominik Livaković saß 2018 in Russland noch auf der Bank und beobachtete, wie Keeper Danijel Subašić zum Helden wurde. Nach dem Rücktritt von Subašić gehörte diese Rolle ihm selbst – und er eiferte seinem einzigen Teamkollegen gleich nach. Subašić wurde 2018 gegen Dänemark zum zweiten Keeper der WM-Geschichte, der beim Elfmeterschießen dreimal parierte. Zuvor war das nur Portugals Ricardo gelungen. Nun hat sich Livaković in diese kurze Liste eingetragen. Ein starker Keeper und eine erfahrene Mannschaft. Das Erfolgsrezept von Kroatien.
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