Unbemannte Fluggeräte, die mit bis zu 6000 Kilometern pro Stunde durch die obere Erdatmosphäre rasen, fünffache Schallgeschwindigkeit. Bestückt mit Atomwaffen, für das gegnerische Radar lange unsichtbar, für eine Raketenabwehr fast immer zu schnell. Ein Albtraum, der nach Science-Fiction klingt. Jetzt scheint er Realität geworden zu sein.
Vor wenigen Tagen sorgte ein Bericht der Financial Times für Aufregung. Die Zeitung meldete geheime Waffentests der chinesischen Streitkräfte, die bereits im Sommer stattfanden. Im Juli und im August schoss China jeweils ein Hyperschallgleitfahrzeug in die Erdatmosphäre, das eine Rakete an Bord hatte. In der Theorie ist diese Technik lang bekannt. Doch nun ist China anscheinend ein Durchbruch in der Praxis gelungen: Während die Regierung in Peking angibt, lediglich ein neues Raumschiff erprobt zu haben, geht die Fachwelt davon aus, dass die Supermacht erstmals eine Hyperschallwaffe getestet hat.
Wer in diesen Tagen nach Amerika und Asien schaut, bekommt den Eindruck, dass nach dem Kalten Krieg nun abermals eine Konfrontation zweier Supermächte die Welt bedroht: China und die Vereinigten Staaten belauern und provozieren einander schon seit Jahren, US-Kriegsschiffe fahren nah an der chinesischen Küste vorbei, chinesische Kampfjets dringen in die Luftverteidigungszone von Taiwan ein, dessen Verbündeter die USA sind. Lässt Chinas neue Waffe die Situation eskalieren?
"China hat seit den 1980er-Jahren die Möglichkeit, die Vereinigten Staaten mit nuklearen Gefechtsköpfen anzugreifen", sagt James M. Acton von der Carnegie-Stiftung für Internationale Friedensforschung. Da die USA jederzeit zurückschlagen könnten, dank abgetauchter Atom-U-Boote und abgelegener, in tiefen Bunkern steckender Raketensilos, ist eine solche Attacke auch weiterhin unrealistisch. Das "Gleichgewicht des Schreckens" bleibt bestehen.
Dennoch versetzt der chinesische Test mit der Hyperschallwaffe amerikanische Sicherheitskreise in Unruhe. Senator Angus King sprach von einer "Albtraum-Waffe" mit "möglicherweise katastrophalen Auswirkungen". Doch die USA fürchten anscheinend mehr um ihre militärische Vormachtstellung als um ihre Sicherheit. Denn die Tests zeigen, dass China bei der Aufrüstung aufholt. Längst liegt das Land nach Angaben des schwedischen Forschungsinstituts Sipri auf dem zweiten Platz der Staaten mit den höchsten Ausgaben für das Militär – hinter den Vereinigten Staaten.
Um die USA einzuholen oder gar zu übertrumpfen, sucht die Regierung in Peking nach Feldern, auf denen der große Rivale schlechter aufgestellt ist. Der Krieg im Cyberspace gehört dazu, auch die Hyperschallwaffen. Damit reagieren die Chinesen auf neue Abwehrtechnologien in den Vereinigten Staaten. Die USA arbeiten an einem Abwehrschirm gegen Nuklearraketen. Darauf scheint nun die chinesische Antwort mit Waffen zu kommen, die sich kaum abfangen lassen. Amerikanische Wissenschaftler dürften nun wiederum daran arbeiten, die eigene Abwehr zu verbessern.
Das Wettrüsten geht also weiter, zumal da die USA bereits den Krieg im Weltall planen. Die US-Streitkräfte ließen 2010 erstmals das "X-37B Orbital Test Vehicle" starten, das mithilfe einer Trägerrakete aufsteigt und dann ohne Besatzung, wie eine Drohne, ferngesteuert um die Erde fliegt. Die U. S. Air Force nennt das "X-37B" schlicht spacecraft ("Raumschiff") – ganz ähnlich, wie die Chinesen ihre Hyperschallwaffe bezeichnet haben. Bei aller Konkurrenz gibt es zwischen Washington und Peking eben auch Gemeinsamkeiten.
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