Kabel einstecken, Bezahlkarte an den RFID-Sensor halten, rund 30 Sekunden auf die Rattergeräusche des Ladeautomaten warten, los geht’s – nur um sofort wieder abzubrechen. Die zufällig an der Autobahnraststätte anwesende Mitarbeiterin des Energieversorgers empfiehlt die Nachbarstation, diese hier würde sie gleich neu starten. Alles klar, weil’s im Regen so schön war.
Eine Szene mit Déjà-vu-Charakter, denn noch gehört der Lade-Hickhack gelegentlich zum E-Auto-Alltag. Dafür zeigt der Digitaltacho des Volvo XC40 Recharge P8 AWD jetzt eine Ladegeschwindigkeit von über 300 km/h. Doch, doch – das ergibt schon Sinn. Was aber heißt das in kW? Kein Untermenü weiß es, wohl aber die Ladesäule: Bei 131 kW liegt der Spitzenwert, also 19 unter der Werksangabe. Die Ladung von 18 auf 80 Prozent ist nach 40 Minuten beendet, eine Vollladung würde laut Display noch zwei Stunden dauern.
Wie weit man damit wohl kommen könnte, verrät der Volvo nicht – erst ab einer Restladung von 20 Prozent steht’s im Tacho. Mit rappelvollem 78-kWh-Akku hat er im Verbrauchstest bei 2 °C jedenfalls 288 Kilometer geschafft (WLTP: 400 km), wobei der Stromkonsum von 33,1 kWh/100 km mit Zurückhaltung auf 27,3 sinkt.
Puh, ganz schön viel Text für ein Thema, das bei Verbrennerautos normalerweise mit drei, vier Zeilen abgehakt ist. Nur ist es hier eben wichtiger als manches andere an diesem Auto, denn abseits des geschlossenen Kühlergrills und des Frontkofferraums kennen Sie den XC40 ja schließlich schon. Außerdem unterscheiden sich E-Motoren in ihrer Charakteristik nur marginal, oder? Drehmoment gibt’s sofort, außerdem summen sie in ähnlichen Frequenzen.
Aus 300 werden 160 kW
Nicht ganz, denn wieso stehen im Fahrzeugschein 160 kW, wenn Volvo von einem 150-kW-Synchronmotor je Achse spricht? Na ja, das betrifft alle E-Autos, denn im Feld "P.2" (Nennleistung) wird laut Kraftfahrt-Bundesamt-Leitfaden bei Elektrofahrzeugen "die höchste 30-Minuten-Leistung" eingetragen – ein Wert mit geringer Aussagekraft für die Praxis. Dafür bräuchte es schon ein ganz spezielles Stück Autobahn.
Wegen der 180-km/h-Limitierung aller seit Mai 2020 produzierten Volvo verliert der Wert weiter an Relevanz. Grundsätzlich richtig ist aber, dass E-Motoren ihre Spitzenleistung nur kurz abgeben können, um die Leistungsfähigkeit der Batteriekühlung nicht zu überfordern.
Innerhalb E-Auto-üblicher Szenarien bleibt die Leistung des XC40 jedoch überwiegend konstant. Zumindest fällt auf der Autobahn nach einigen Beschleunigungen auf 180 km/h sowie längeren Phasen im Höchsttempo subjektiv kein Unterschied auf. Auch über Land drücken ihn die Motoren meist mit gleich wirkendem Durchzugsvermögen aus den Ecken: gefühlt zwar eher mit gut 300 statt 408 PS, wohl aber mit Ausreißern nach oben.
Die ergeben sich vermutlich aus den Regelalgorithmen, die Leistungsfreigabe und Fahrstabilität verwalten. An der Ampel sprintet der Wagen zügig los, harmonisiert dieses Überfallartige mancher E-Autos aber weg. Gleiches gilt an den Kurvenausgängen: Lenkwinkelabhängig bestimmen die Computer, ob der per Fahrpedal kommunizierte Leistungswunsch für die Fahrsituation zweckmäßig ist – und reduzieren ihn, wenn die Berechnungen das verneinen.
Zu wild wird’s also nie, denn eine Lockerung via Sport-ESP fehlt. Die erwartet man beim XC40 zwar nicht, aber mit genügend Lenkungsrückmeldung sowie ausgewogener Fahrwerksabstimmung kurvt er dann doch so ambitioniert, dass die Einstellung zumindest nicht nutzlos wäre.
Klar, mit seinen 2.158 kg rutscht er beim Sportfahren auch mal von der Linie, via radselektiven Bremseingriffen drückt das Heck ihn aber sofort zurück. Leichte Eindrehimpulse gibt es außerdem zur proaktiven Agilitätssteigerung: Der niedrige Schwerpunkt und die Ruckizucki-Leistungsabgabe machen ihn definitiv zum fahrspaßigsten XC40.
Nervig ist dennoch, dass beim Lenken unter erhöhter Querkraft aus Richtung Fußraum eine Art Relais-Klicken kommt. Auch nicht cool: Im Pilot-Assist-Modus muss das Lenkrad wegen des nicht kapazitiven Kranzes häufiger bewegt werden.
Saubere E-Auto-Basics
Die Dosierung der kräftigen Bremsanlage (35,50 m aus 100 km/h) bedarf bei starker Verzögerung etwas Gewöhnung, ansonsten fällt sie auf Anhieb ziemlich leicht – selbst geschmeidiges Anhalten klappt. So weit also nur "ganz gut"? Ja, aber der Übergang von der Rekuperation zur mechanischen Bremse ("Brake-Blending") ist im Pedal praktisch unspürbar – ein viel wichtigerer Aspekt der Brake-by-Wire-Anlage als die geringfügige Einschränkung bei mutmaßlich seltenem Anwendungsfall.
Seinem Namen gerecht wird der One-Pedal-Modus (2 m/s²): Wenn er deaktiviert ist, liegt die Verzögerung unterhalb der eines Verbrenners. Zusätzlich rollt der SUV dann beim Lösen des Bremspedals langsam los – eine wichtige Sache beim Parken, die etwa dem "Nichtkriecher" Audi e-tron fehlt.
Die Modusauswahl erfolgt ausschließlich per Touchscreen-Einheit, auf der ein neues Android-Betriebssystem läuft. Der echte Knopf für das Hauptmenü bleibt erhalten, von dort geht es über vier große Widgets zu Google Maps, Google Assistant, Medien und Telefon weiter. Die restlichen Funktionen sind über eine unten angeordnete Menüzeile erreichbar. Der Menüaufbau macht das Zurechtfinden leicht, was während der Fahrt für das Treffen manch winziger Grafikschaltfläche nicht gilt.
Ein häufiger Landepunkt ist das Klimamenü, zum Beispiel für die Lüftersteuerung und die Temperatureinstellung bei nicht synchronisierten Klimazonen. Da fummeln Sie nie rum? Na ja, trotz Feuchtigkeitssensor im Rückspiegelgehäuse zieht die Lüfterstärke im Test bei Scheibenbeschlag nicht automatisch an. Immerhin: Da das Klimamenü den ganzen Bildschirm überdeckt, kommt das modifizierte Tacho-Layout mit größerer Navi-Karte gerade recht.
Der gute Allgemeinkomfort ergibt sich aus bequemen Sitzen mit ausziehbaren Beinauflagen, zudem fahrwerkt der E-XC40 bequem – nur geringfügige Karosseriebewegungen, ohne dafür zu hart zu federn. Auf mitgenommenen Straßen kann es aus dem Vorderwagen jedoch vereinzelt ganz schön rumpeln. Hinzu kommt, dass der Fahrer wegen der kurzen Mittelarmlehne recht lange Arme braucht, um bei abgestütztem Ellenbogen das Lenkrad zu greifen.
Bleibt der Preis, der auch nach der Anpassung im März von 62.000 auf 58.000 Euro hoch bleiben wird, denn damit liegt der E-XC40 noch 3.075 Euro über dem Polestar 2 mit identischem Antrieb. Klar, die Förderung über 7.975 Euro hilft, rückt ihn in Verbrenner-Nähe. Aber egal, wie gut die Ladesysteme funktionieren: Den gewohnten Zapfpistolenkomfort stellt auch der gelungene Volvo nicht her. Noch nicht zumindest.
Umfrage
Vor- und Nachteile
- Anständiges Platzangebot
- Keine Laderaumeinschränkung durch E-Antrieb
- Zusätzlicher Frontkofferraum
- Leicht verständliches Infotainment-Layout …
- … das teilweise hohe Touch-Präzision erfordert
- … und die gesamte Klimabedienung schultert
- Bequeme Sitze mit ausziehbaren Beinauflagen
- Guter Federungskomfort
- Google-Maps-Navigation
- Klangstarke H/K-Musikanlage
- Kurze Mittelarmlehne
- Beschlag bei Klima auf „Auto“
- Poltergeräusche (selten)
- Ansprechverhalten top
- Gute Fahrleistungen
- Leicht zügig fahrbar
- Kriecht bei deaktiviertem One-Pedal-Modus
- Relaisklicken im Fußraum bei erhöhter Querdynamik
- Vmax nur 180 km/h
- Allradtraktion
- Reichlich Assistenz
- Aktiver Lenkpilot bei Regen teilweise verwirrt
- Keine lokalen Emissionen
- Geringes Geräuschniveau
- Verzögerungsenergie wird rekuperiert
- Batterieentsorgung am Ende des Autolebens
- Umweltbonus (7.975 Euro)
- Hoher Grundpreis
- Restwert im höheren Alter
Tolle Fahrleistungen und ein anständiges Ladetempo stehen einem durchschnittlichen Verbrauch gegenüber. Das allgemein gute Komfortniveau trüben Mankos, die nicht zum hohen Preis passen.
Technische Daten
Volvo XC40 Recharge P8 AWD Recharge R Design | |
Grundpreis | 58.000 € |
Außenmaße | 4425 x 1873 x 1652 mm |
Kofferraumvolumen | 414 bis 1290 l |
Höchstgeschwindigkeit | 180 km/h |
0-100 km/h | 5,0 s |
Verbrauch | 7,1 l/100 km |
Testverbrauch | 33,1 l/100 km |
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