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Berlin – Zwei diabetologische S3-Leitlinien sind grundlegend überarbeitet worden: Die Leitlinie „Therapie des Typ-1-Diabetes“ ist bereits veröffentlicht. Die Leitlinie zur „Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter“ liegt in der Konsultationsfassung vor und soll in den kommenden Tagen veröffentlicht werden, wie heute auf der Kongress-Vorab-Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), mitgeteilt wurde. Im Zentrum der Aktualisierungen steht in beiden Fällen die Empfehlung technischer Neuerungen.
Seit der letzten Aktualisierung der S3-Leitlinie „Therapie des Typ-1-Diabetes“ sind fünf Jahre vergangen. Durch Veränderungen in der Versorgung waren umfangreiche Leitlinien-Anpassungen nötig. „Insbesondere im Bereich der Glukosesensoren hat es in dieser Zeit einige technische Neuerungen gegeben“, sagte Thomas Haak aus Bad Mergentheim, der die Arbeit an der Leitlinie für die DDG koordiniert hat.
Die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) im Unterhautfettgewebe sei mittlerweile zum Standard geworden. Sie ermöglicht es, den Gewebszuckerspiegel nahezu in Echtzeit zu verfolgen und die Therapie wesentlich präziser zu steuern. In den vergangenen zwei Jahren habe nun vor allem die Kombination der CGM mit automatischen Insulinpumpen (AID) das tägliche Diabetesmanagement deutlich erleichtert, ergänzte Ralph Ziegler von der Diabetologischen Schwerpunktpraxis für Kinder und Jugendliche aus Münster.
„Weil Studien zum langfristigen medizinischen Effekt dieser Systeme bislang fehlen, basiert dieser Teil der Leitlinie auf kurzfristigeren Studien, sowie auf Erfahrungsberichten von ärztlicher und von Patientenseite“, sagte Haak. Diese zeigten den großen Nutzen, etwa die Vermeidung von Unter- und Überzuckerungen durch die eingebaute Warnfunktion, müssten aber in Zukunft noch durch wissenschaftliche Studien untermauert werden. Bereits jetzt gilt als gesichert, dass die Messwerte der CGM gut mit dem Langzeitwert des Blutzuckerspiegels (HbA1c) korrelieren. Damit seien sie auch aussagekräftige Parameter zur Beurteilung der langfristigen Diabeteseinstellung.
Leitlinie empfiehlt allen Kindern und Jugendlichen eine Insulinpumpe, CGM und AID-Systeme
Die Vorteile moderner Diabetes-Technologien sind auch die zentrale Neuerung der aktualisierten S3-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter“. Ziegler betonte daher die Empfehlung, allen Kindern und Jugendlichen nach deren Möglichkeiten eine Insulinpumpe, CGM und AID-System anzubieten.
Die Nutzung der neuen Technologien sorge für eine bessere Inklusion und halte die Einschränkung der Teilhabe so gering wie möglich, erklärte der Leitlinien-Koordinator Ziegler bei der Pressekonferenz. Eltern müssten etwa ihre beruflichen Tätigkeiten nicht mehr einschränken, was nach einer Studie bei 49,3 Prozent der Fall war, vor allem Mütter waren betroffen (Diabetes Care 2021; DOI: 10.2337/dc21-0740).
„Mehr Technik bringt aber nicht nur für die Familien Entlastung sondern erleichtert auch die Betreuung in KiTa und Schule“, so Ziegler. Genaue Zahlen zur Nutzung der kombinierten CGM-AID-Techniken gibt es laut Ziegler nicht. Die Nutzung der Insulinpumpentherapie bei Kindern und Jugendlichen liege bei etwa 80 Prozent. CGM-Systeme würden von mehr als 90 Prozent genutzt, berichtete Ziegler und weiter: „Die Zahlen der AID-Systeme steigen erst seit kurzem deutlich.“
Auch die Erstattung der AID-Systeme sollte künftig mit der richtigen Begründung für alle Patienten möglich sein. Ralph Ziegler, Diabetologische Schwerpunktpraxis für Kinder und Jugendliche, Münster
CGM-Systeme und Insulinpumpen würden bei Kindern und Jugendlichen bewilligt und auch erstattet. „Kinder unter sechs Jahren werden schon jetzt immer mit Insulinpumpen und Sensoren versorgt“, sagte Ziegler.
Bei Jugendlichen müsse hingegen der Vorteil in einigen Fällen noch begründet werden, in der Regel würden diese dann aber erstattet.
„Auch die Erstattung der AID-Systeme sollte schon jetzt mit der richtigen Begründung für alle Patienten möglich sein.“ Durch die neuen Empfehlungen in der Leitlinie erhoffe man sich hierbei weitere Erleichterungen, so Ziegler.
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Aktualisierungen bringt die Leitlinie zudem auf den Gebieten der Früherkennung, Stadieneinteilung und Prävention und Intensivierung der Insulintherapie. Weitere wichtige Aspekte liegen in der integral notwendigen psychologischen und psychosozialen Betreuung sowie in der Integration und Teilhabe von Kindern mit Typ-1-Diabetes in KiTa und Schule.
Darüber hinaus aktualisiert beziehungsweise erweitert die Leitlinie nun auch die Themen Telemedizin, Ernährungstherapie, Risikofaktoren, Früherkennung und Prävention. „Auch die wichtige Phase der Transition wird jetzt in einem eigenen Kapitel behandelt“, sagte Ziegler.
Neben den zwei bereits fertiggestellten werden derzeit noch drei weitere diabetologische Leitlinien unter Federführung der DDG aktualisiert. „Verschiedene Arbeitsgruppen in unserer Fachgesellschaft überarbeiten derzeit die Leitlinien zum Gestationsdiabetes, zum Diabetes im Alter sowie zum Thema Diabetes und Straßenverkehr“, sagte DDG-Leitlinienkoordinator Karsten Müssig. Darüber hinaus werden aktuell 28 Praxisempfehlungen überarbeitet, die zur Herbsttagung Mitte November veröffentlicht werden. © gie/aerzteblatt.de
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