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Warum selbst ich als Tech-Redakteur nicht jeder Technik traue und wie ich das ändern werde - GameStar

Warum vertraue ich Technik nicht?

Warum vertraue ich Technik nicht?

Ich fahre morgen zusammen mit meiner Kollegin Alana auf die IFA nach Berlin. Die Fahrt mit dem ICE ab Nürnberg dauert nur dreieinhalb Stunden (sofern die DB will). Das Ticket habe ich online gebucht, digital meine Sitze ausgesucht und bargeldlos bezahlt.

Warum zur Hölle drucke ich mir das Bahnticket dann aus? 

Ich begebe mich lieber in den Kampf mit dem Drucker, anstatt mir das Ticket auf dem Handy anzeigen zu lassen.

Wieso?

Woher kommt das Misstrauen?

Es ist gemeinhin bekannt, dass wir Deutsche ein gesundes Misstrauen gegenüber Technik und neuen Technologien haben - und daran ist grundsätzlich nichts verkehrt. Aber es gibt auch Gegenstimmen: Der Deutschlandfunk etwa bezeichnet die Technik-Angst sogar als Legende.

Mit dem Handy oder der Smartwatch machen wir mittlerweile fast alles, vom Einkaufen bis zum Bezahlen. Warum also nutze ich den Computer in meiner Tasche nicht fürs Bahnticket?

Wegen irrationaler Gründe, die ihr mit Sicherheit auch kennt.

Die freundliche Schaffnerin wird mich doch nicht aus dem Zug werfen, oder? ODER? (Bild: AboutLife - adobe.stock.com)

Die freundliche Schaffnerin wird mich doch nicht aus dem Zug werfen, oder? ODER? (Bild: AboutLife - adobe.stock.com)

Was ist, wenn der Schaffner den Code nicht auslesen kann? Dann könnte er das bei einem ausgedruckten Fahrschein auch nicht, doch es fühlt sich sicherer an, weil man selbst ausschließen kann, der Grund für das Problem zu sein - schließlich hat man das Ticket in der Hand.

Was ist, wenn ich nichts in der Hand habe? Manchmal knipsen Schaffnerinnen und Schaffner Löcher ins Papierticket. Ein physischer Beweis, dass man im Zug sitzen darf. Das schafft Sicherheit. Mit dem Ticket auf dem Handy habe ich nichts in der Hand (metaphorisch gesprochen).

Was ist, wenn der Akku leer geht? Hand aufs Herz: Wann ist überhaupt jemals der Akku leer gewesen, wenn wir ganz dringend unser Handy gebraucht hätten? Das passiert nur in Filmen.

Ein anderes Beispiel gefällig? Geld. Nur Bares ist Wahres, richtig? Nein, eigentlich nicht, denn mit EC- oder Kreditkarte zahlen wir schon ewig. Und trotzdem wollte ich immer Bargeld im Geldbeutel haben. Man könnte es ja mal gebrauchen. Als Trinkgeld. Oder wenn der Akku des EC-Geräts schlapp macht. Oder wenn man doch nur bar bezahlen Kann. Oder... einfach weil.

Zum Glück habe ich mich da selbst eines Besseren belehrt:

Ist Technikskepsis kulturell bedingt?

Im englischen Sprachgebrauch gibt es den Begriff German Angst. In einem Artikel des Redaktionsnetzwerk Deutschland definiert die Buchautorin Sabine Bode den Begriff so:

Unter German Angst verstehen wir eine Mischung aus Mutlosigkeit und Zögerlichkeit, gepaart mit Zukunftsängsten und einem extremen Sicherheitsbedürfnis.

Sabine Bode, Autorin des Buches Kriegsspuren. Die Deutsche Krankheit German Angst

Die Deutschen gelten im Vergleich außerdem als technikverdrossen. Man könnte Argumente dafür machen, dass die kulturell bedingt ist.

Geschichtlicher Hintergrund

Deutschland hat eine komplexe Geschichte, die von politischer Manipulation, Überwachung und Unterdrückung geprägt war, besonders während der Zeit des Nationalsozialismus und der DDR. Diese Erfahrungen könnten zu einem erhöhten Misstrauen führen, insbesondere in Bezug auf Überwachung und Kontrolle.

Datenschutz und Privatsphäre

Das sind Nachwehen der Überwachung und Kontrolle. Wir legen großen Wert auf den Schutz unserer eigenen Privatsphäre, weswegen Deutschland strenge Datenschutzgesetze besitzt.

Enthüllungen über Massenüberwachungen in anderen Ländern unterstützen diese Meinung.

Arbeitsplatzverlust

Deutsche gelten als arbeitssam und legen viel Wert auf den Job. Automatisierung und Digitalisierung können zu Arbeitsplatzverlusten führen, insbesondere in bestimmten Branchen.

Das führt dazu, dass viele sich gegen neue Technik stemmen, die den eigenen Arbeitsplatz gefährden könnte, wie es derzeit mit KI der Fall ist. Experten sehen darin aber auch eine Chance.

Abhängigkeit

Einige Menschen sehen sich ihrer Mündigkeit beraubt, wenn eine App oder smarte Trinkflasche sie etwa ans Trinken erinnert. Je abhängiger man von Technik wird, desto weniger Einfluss hat man.

Doch es gibt auch Gegenstimmen, die behaupten, dass die Angst vor Technik irrational sei, so titelt die SZ in einem Kommentar von 2017. In dieselbe Kerbe schlägt ein Artikel der Frankfurter Allgemeine.

Da hilft nur eins: Sich selbst auf die Probe stellen

Misstrauen ist berechtigt, aber nicht immer, wie im Falle des Zugtickets zur IFA. Was soll denn bitte passieren? Die Schaffnerin wird mich nicht aus dem fahrenden Zug schmeißen und auch die Polizei wird mich nicht am nächsten Bahnhof in Gewahrsam nehmen.

In diesem Fall sind die Bedenken unbegründet. Daher werde ich das Papierticket bewusst zuhause lassen und mein Handy nutzen. Wenn es klappt, nimmt das die Sorgen für die kommenden Male.

Lange Zeit habe ich mich gegen Smartwatches (oder Armbanduhren generell) gewehrt. Doch nicht nur habe ich den Selbstversuch gestartet, meine Apple Watch hat mich schließlich auch dazu gebracht, den Geldbeutel mal ganz liegen zu lassen (den Erfahrungsbericht dazu habe ich weiter oben verlinkt).

Bild: photoschmidt - adobe.stock.com

Bild: photoschmidt - adobe.stock.com

Das wiederum hat mich dazu gebracht, die Egon-App der Nürnberger Verkehrsbetriebe zu verwenden. Diese spart mir nicht nur bares Geld, ich muss auch kein Ticket mehr ziehen und tue etwas für die Umwelt.

Und schließlich hat mich all das dazu geführt, den Wocheneinkauf ab und an online zu tätigen. Die Vorteile liegen klar auf der Hand, aber der größte ist definitiv, dass ich mehr Zeit habe.

Ergo: Mein Technik-Misstrauen hat mich Geld und Zeit gekostet. Manchmal hilft es allerdings, einfach mal über seinen Schatten zu springen. All die Horrorszenarien, die man sich ausmalt, treten meist nicht ein, und wenn doch, ist man in der Regel clever genug, sie zu lösen.

Angst hindert uns, Technik bedeutet Fortschritt. Skeptisch sein ist gut, aber nicht um jeden Preis. Wir falten heutzutage ja auch keine Karte mehr auseinander, sondern fragen unsere Karten-Apps nach dem Weg, oder?

Druckt ihr eure Tickets eigentlich noch aus?

Ich würde gerne wissen, ob ich der einzige bin, der das macht. Es geht nicht zwingend um Zugtickets, sondern auch Eintrittskarten, Hotelbestätigungen und so weiter.

Die Deutschen gelten als missmutig, wenn es um neue Technik geht und obwohl ich Tech-Redakteur bin, nehme ich mich da nicht aus. Ich möchte allerdings offener werden und verzichte deshalb auf das ausgedruckte Bahnticket. Hattet ihr schon mal ein Aha-Erlebnis bezüglich Technik? Seid ihr Early Adopter oder beobachtet ihr lieber die Lage? Teilt eure Erfahrungen gerne in den Kommentaren.

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