Das gleiche Material, die gleichen Äxte: Zimmerleute lassen das Dach von Notre Dame mit mittelalterlicher Handwerkskunst wieder auferstehen.
Für die Zimmerleute fühlt es sich an, als sei die Zeit zurückgedreht. Mit Handäxten rücken sie Hunderten Tonnen Eichenbalken zu Leibe. Die Arbeiten am 2019 abgebrannten Dachstuhl von Notre Dame werden bewusst mit alter Handwerkskunst durchgeführt - um die Fertigkeiten der Erbauer zu würdigen, um dafür zu sorgen, dass die jahrhundertealte Kunst der Holzbearbeitung weiterlebt und damit möglichst viel dem Originalzustand gleicht.
"Es ist manchmal etwas verwirrend", sagt Peter Henrikson, einer der Zimmerleute. Wenn er mit dem Hammer auf das Stemmeisen schlage, denke er manchmal an seine mittelalterlichen Kollegen, die "vor 900 Jahren im Grunde die gleiche Arbeit verrichtet haben".
Die Arbeit hat ihm und seinen Kollegen eine neue Wertschätzung für die Arbeit ihrer Vorgänger vermittelt, die im 13. Jahrhundert architektonische Maßstäbe gesetzt haben.
Pläne vom Computer, Holzarbeiten per Hand
"Wir wollen diese Kathedrale so wiederherstellen, wie sie im Mittelalter gebaut wurde", sagt der pensionierte französische Armeegeneral Jean-Louis Georgelin, der den Wiederaufbau leitet. "Auf diese Weise können wir dem Werk all der Menschen treu bleiben, die all die außergewöhnlichen Denkmäler in Frankreich gebaut haben."
Wegen des engen Zeitplans beim Wiederaufbau der Kathedrale greifen Zimmerleute und Architekten allerdings auf Computer und andere Technologien zurück. Mit Computern angefertigte Pläne sollen sicherstellen, das die von Hand behauenen Balken perfekt zusammenpassen.
Dieselbe Konstruktion, das gleiche Material, die gleichen Werkzeuge
Die Zimmerleute im Mittelalter hätten viel davon im Kopf hinbekommen müssen, sagt Henrikson. "Es ist schon erstaunlich, wie sie das mit den Werkzeugen und der Technologie, die sie damals hatten, geschafft haben." Der 61-jährige Amerikaner stammt aus Grand Marais im US-Staat Minnesota.
"Unser Ziel war es, den Dachstuhl, der beim Brand am 15. April 2019 verschwunden ist, wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen", sagt der Architekt Rémi Fromont. Der wieder aufgebaute Rahmen "ist dieselbe Holzrahmenkonstruktion aus dem 13. Jahrhundert", sagt er. "Wir haben genau das gleiche Material: Eiche. Wir haben die gleichen Werkzeuge, mit den gleichen Äxten, die verwendet wurden. (...) Wir haben das gleiche Know-how. Und bald wird es an seinen Platz zurückkehren."
Die Balken kommen dann aber per Lkw und Kran
Im Mai nahm der Wiederaufbau des Daches eine wichtige Hürde. An der Loire wurden große Teile des Holzrahmens zusammengesetzt und aufgerichtet. Der Probelauf zeigte den Architekten, dass der Dachstuhl seinen Zweck erfüllt. Das nächste Mal wird er dann auf der Kathedrale zusammengesetzt.
Anders als im Mittelalter werden die Einzelteile per Lastwagen nach Paris gefahren und mit mechanischen Kränen nach oben gehievt. Etwa 1.200 Bäume sind dafür gefällt worden. Im Dezember 2024 soll die Kirche dann fertig sein.
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