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Der Herr der Technik: Thomas Biedebach verlässt das Kulturhaus - come-on.de

Die letzte Vorstellung unter seiner technischen Regie ist gelaufen: Thomas Biedebach, der langjährige Technische Leiter des Kulturhauses, geht in den Ruhestand. Noch feiert er Überstunden und Resturlaub ab. Ende Februar ist Schluss, dann ist der letzte Akt im Kulturhaus beendet.

Raumplaner wollte er werden. Wurde er auch. Aber dass es mal darum gehen würde, große Bühnenbilder von Opernhäusern an die „Puppenbühne“ im Kulturhaus anzupassen, dafür gab es keine Seminare.

Lüdenscheid – „Die Liebe zu den drei Orangen“ war so ein Fall, erinnert sich Thomas Biedebach. Die Kulisse für die Prokofjew-Oper war riesengroß und begehbar: „Mit zwei Orangen war die Bühne voll. Wir haben’s dann ‘Die Liebe zu den zwei Mandarinen’ genannt“, sagt der 63-Jährige und lacht. Pragmatisch, lösungsorientiert, mit einer gehörigen Portion Humor – so ließ sich unauffällig hinter den Kulissen klären, was das unbeschwerte Spiel davor nicht stören durfte. Das Drama gehört auf die Bühne, nicht dahinter.

Einstieg als Kulissenschieber

So einen Beruf kann man nicht studieren, da wächst man hinein. Mitunter durch Zufall: Der Student in Dortmund bekam einen Anruf von Gisela Schröder. Die Leiterin der Kunstgemeinde organisierte einmal pro Woche ein Kulturprogramm im Parktheater. Sie suchte einen Kulissenschieber – und fand ihn in dem jungen Lüdenscheider. Der Einstieg in ein Berufsleben, wie es vielfältiger kaum hätte sein können.

Beim Neujahrsempfang der Stadt verabschiedete sich der Technische Leiter des Kulturhauses nun in den Ruhestand –  von seiner Bühne aus, im Scheinwerferlicht stehend, was so gar nicht seine Lieblingsrolle ist. Hinter den Kulissen oder oben drüber – das war eher seine Welt. Seit Dezember probt er den Ruhestand. Wenn Resturlaub und Überstunden abgefeiert sind, ist es Ende Februar offiziell. Dass man ihn bis dahin noch manchmal antreffen kann im Haus, hat einen rein technischen Grund: die Lüftungsanlage. Da ist wegen laufender Arbeiten noch seine Expertise gefragt. „Jedenfalls will ich hier nicht als Phantom der Oper herumgeistern.“ Wehmut ist ihm fern: „Wir haben uns tagtäglich auf neue Sachen eingestellt. Das macht den Abschied leichter.“

Im Sommer 1989 hat er die technische Leitung übernommen. Da kannte er das Haus längst aus dem Effeff. Er war Meister und Mädchen für alles, hat „gemacht, was anfiel“. Der Studienabschluss hat etwas länger gedauert. Denn als Hans Joachim Deinert, sein Vorgänger als Technischer Leiter, 1981 Aushilfen suchte, summierte sich der „Aushilfsjob“ schnell auf 40 bis 50 Wochenstunden. „Rudolf Sparing hatte ihn mitgebracht“, erinnert sich Biedebach an den Beleuchtungsoberinspektor, Lehrmeister und geschätzten Mentor. Zwei Hausmeister, ein festangestellter Techniker, das sei alles gewesen im gerade eröffneten Prestigebau – und „funktionierte natürlich nicht“. Mitte 1982 wurden zwei weitere Planstellen geschaffen; eine davon für Thomas Biedebach. Relativ früh sei er für Beleuchtung zuständig gewesen. Parallel dazu hat er die Prüfung zum Bühnenmeister absolviert. Ende 1988 fragte ihn sein Vorgänger, ob er nicht sein Nachfolger werden wolle. Wollte er. „Man dachte groß. Wir waren da und wir waren lange da“, erinnert er sich: „Es ging nicht um Stunden.“ Es ging darum, das Beste zu geben. „Wir haben alle Ensembles, und ganz besonders die lokalen, nach Kräften unterstützt, damit die Besucher am Ende zufrieden aus dem Kulturhaus gehen und sagen: ‘Es war toll’.“

Das Haus von seiner besten Seite zeigen

Das Haus von seiner besten Seite zu zeigen, war nicht immer ganz einfach, denn die Stars waren nicht immer ganz einfach. „Manche kamen mit einer gewissen Arroganz, und dann stellte sich heraus, die sind gar nicht so doof in Lüdenscheid.“ Er könnte Bücher schreiben. Auch darüber, wie man mit Menschen umgeht, sie empfängt. Damit geht es doch los, das prägt die Atmosphäre. Inge Meysel war gar nicht schwierig, Hella von Sinnen dagegen sehr. Diplomatisch formuliert. „Manche wollten den Feuerwehrmann nicht sehen, weil sie sich dann nicht konzentrieren konnten.“ Ein anderer hatte eine Stauballergie, Ute Lemper ein Tonproblem. Dabei hatte Biedebach sie gewarnt: „Sie hat das Weill-Programm gemacht, und in unsere Anlage konnte man keine Effektgeräte einschleifen.“ Aber La Lemper wollte Hall – und bekam ihn nicht. „Das war übel“, sagt er noch heute mit schmerzverzerrtem Gesicht. Inzwischen könnte sie gerne wiederkommen. Heute verfügt das Kulturhaus über eine hochwertige Tonanlage, eingemessen aufs Haus: „Wir haben immer wieder investiert und verbessert.“ Die Theatertechnik sei in einem guten Zustand, weil man kontinuierlich alles weiterentwickeln konnte. „Damit“, sagt der Scheidende, „wird so ein Haus zu etwas, das kein Zufallsprodukt ist.“ Vertrauen und Freiraum – dafür ist er der Stadt dankbar: „In manchen Häusern musste man eine Kiste Schrauben über die Beschaffungsstelle kaufen.“

Biedebach hat Zwölfton-Musik sonntagsmorgens um 11 erlebt und seine Liebe zu Opern und klassischer Musik entdeckt. Er hat gesehen, wie die Operetten verschwunden sind und die Orchester aus den Musical-Aufführungen. Stattdessen kamen „die unsäglichen Headsets“. Zwar könne man unverstärkt und live auftreten, weiß der Fachmann: „Das geht, ja sicher. Aber ich muss natürlich eine Sprechausbildung haben.“ Er hat den Personenkult um Herbert Herrmann bestaunt – und mit dem Umschwärmten in der Theaterschänke Premieren gefeiert. Eine von vielen. Er hat geplant, verhandelt, improvisiert, sogar hartnäckige Autogrammjäger eingebremst. Auch das hat sich geändert: „Einen haben wir noch.“ Er selbst hat’s nicht so mit Autogrammen. „Was man im Herzen hat, behält man auch so.“ Nur einmal hat er sich nach einem Brecht-Abend mit Gisela May spontan eine CD gekauft. „Die hat sie mir unterschrieben. Die May“, erinnert er sich, „war ganz toll. Die hat eine Aura ausgestrahlt, die aus dem Kulturhaus ein Welttheater gemacht hat.“ Es war eine spannende Zeit – mit Thomas Biedebach als Konstante im Wandel.

Natürlich hat er mal an einen Wechsel gedacht. Stühle rücken mit fast 30 Jahren –  da hat er sich schon umgesehen. Aber zu einem festen Theater wollte er nicht, fand ein Gastspielhaus vielseitiger. Auch das Kompetenzgerangel, das manche Bühnen mitbrachten, hat ihn abgeschreckt. In großen festen Häusern sei alles sehr genau strukturiert, Mitarbeiter seien nur für die rechte oder für die linke Bühnenseite zuständig. Das strahlte aus – wenn ein Tourneeteam den Laster nicht auspacken wollte, weil ganz vorne noch eine Beleuchtungskiste stand. Dafür war eine andere Abteilung zuständig, und die war noch nicht im Dienst. „Die Leute aus dem Pott waren etwas radikaler“, erinnert sich Biedebach und schmunzelt: „Das war schon manchmal skurril.“ Die Lüdenscheider haben dann den Weg frei gemacht und die Kiste ausgeladen.

Andre Baum-Knieps (links) ist Thomas Biedebachs Nachfolger als Technischer Leiter des Kulturhauses.

Er ist dankbar, wie unkompliziert und flexibel vieles gelaufen ist. „Es war immer schon das Zusammenspiel eines engagierten Teams“, betont er. „Frank Dohle und Reinhard Meyer, das waren meine Stützen, aber ich kann gar nicht jeden aufzählen.“ Der eine ein Volltreffer nicht nur als Beleuchter, der andere der geborene Organisator und Kümmerer. Der Generationswechsel läuft auch hier.

Sein Team – es war Gold wert, vor allem in der Corona-Zeit. Auch diese Herausforderung hat er angenommen wie eine neue Vorstellung. „Das war wieder etwas völlig Neues, aber man kann’s ja strukturieren.“ Wenn eine Vorstellung ausfallen muss, ist es eben so. „Die menschlichen Schicksale“, sagt er, „waren schlimmer als abgesagte Vorstellungen.“ Nur langsam kehrt eine neue Normalität zurück. Sie wird nun von einem anderen geprägt: Andre Baum-Knieps, sein Assistent seit Anfang 2021, übernimmt die Aufgabe. Die ist klarer definiert, auf die technische Funktion konzentriert. Das „Mädchen für alles“, das sogar Karten abgerissen hat, wenn Not am Mann war, ist jetzt weg.

Gibt einiges nachzuholen

Was kommt? „Mal sehen.“ Keine Pläne, keine Zeitvorgaben, kein Programm. Seine Frau hört auch bald auf zu arbeiten. „Wir sind im März 33 Jahre verheiratet“, sagt er. 30 davon war er abends nicht da. Es gibt also einiges nachzuholen. Nur Veranstaltungen, die braucht er vorläufig nicht mehr. Thomas Biedebach ist kein emotionaler Mensch. Er macht, was nötig ist. Aber: „Es hat tatsächlich Momente gegeben, wo ich gedacht habe: ‘Ich hab’ keinen Schimmer, wie das gehen soll.’“ Und dann ging es doch. So wird es wohl auch mit dem Ruhestand sein. „Das Abschiednehmen – irgendwie habe ich’s gelernt.“ Er erinnert sich an Ellen Schwiers, die so oft in Lüdenscheid aufgetreten ist, dass eine Freundschaft entstand. „Das war’s jetzt“, hat sie eines Abends gesagt. „Und man sah sich dann einfach nicht mehr.“

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