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Nach Anna Netrebkos Distanzierung: Opernhäuser warten ab - NDR.de

Stand: 01.04.2022 16:45 Uhr

Nach mehreren Auftritts-Absagen hat sich die Sopranistin Anna Netrebko deutlicher als zuvor von Russlands Präsident Wladimir Putin distanziert und ihre Rückkehr angekündigt. Am 7. September könnte sie auch in Hamburg auftreten. Die Konzerthäuser reagieren jedoch abwartend.

Mehrere Wochen nach dem Beginn des Krieges hat sich die russische Sängerin erstmals deutlicher vom Vorgehen des russischen Regimes distanziert. "Ich verurteile den Krieg gegen die Ukraine ausdrücklich und meine Gedanken sind bei den Opfern dieses Krieges und ihren Familien", ließ Netrebko über ihren deutschen Anwalt mitteilen. "Meine Position ist klar. Ich bin weder Mitglied einer politischen Partei noch bin ich mit irgendeinem Führer Russlands verbunden. Ich erkenne und bedauere, dass meine Handlungen oder Aussagen in der Vergangenheit zum Teil falsch interpretiert werden konnten", hieß es in der Stellungnahme weiter.

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Anna Netrebko singt bei einem Auftritt in Moskau. © picture alliance/dpa/TASS | Vladimir Gerdo

Bernhard Neuhoff, Redaktionsleiter von BR-Klassik, argumentiert dafür, NDR Kultur Musikredakteur Stephan Sturm ist skeptisch. mehr

Netrebko nach Konzertausfällen und Agenturtrennung unter Druck

Weil sich Anna Netrebko bis zur Stellungnahme am Mittwoch zwar von Krieg im allgemeinen distanzierte, aber nicht von Wladimir Putin und nicht von einem russischen Angriff sprach, fielen in den vergangenen Wochen mehrere Auftritte der Sängerin aus - unter anderem das für den 2. März geplante Konzert in der Elbphilharmonie. Die Berliner Agentur Centre Stage Artist, ein Tochterunternehmen von Universal, das die Sopranistin weltweit vermarktete, hat sich vor wenigen Tagen von ihr getrennt. Die Plattenfirma Deutsche Grammophon kündigte an, keine weiteren Produktionen von Netrebko auf den Markt zu bringen.

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Opernsängerin Anna Netrebko in der Rolle der Adriana Lecouvreu bei den Salzburger Festspielen © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Luca Bruno Foto: Barbara Gindl

Die Berliner Agentur Centre Stage Artist, die Netrebko weltweit vertritt, hat die Zusammenarbeit beendet. mehr

Findet Netrebko-Konzert im September in der Elphi statt?

Netrebko kündigte in ihrer Mitteilung an, nach einer Auftrittspause ihre Opern- und Konzertauftritte Ende Mai, zunächst in Europa, wieder fortsetzen zu wollen. Ihr nächstes Konzert ist am 25. Mai in Paris geplant. Doch wie reagieren die Konzert- und Opernhäuser?

Anna Netrebko und Yusif Eyvazov © Tim Osipov / River Concerts Foto: Tim Osipov
Gemeinsam mit ihrem Mann, dem aserbaidschanischen Tenor Yusif Eyvazov soll Anna Netrebko am 7. September in Hamburg auftreten.

Die Hamburger Elbphilharmonie hat noch keine Stellungnahme zum ursprünglich für den 2. März angesetzten und auf den 7. September verschobenen Konzert in der Hamburger Elbphilharmonie genommen. Im Interview Ende Februar betonte Elbphilharmonie-Generalintendant Christoph Lieben-Seutter, dass die Verantwortung für die Durchführung des Konzerts allerdings nicht bei der Elbhilharmonie liege, sondern beim Konzertveranstalter River Concerts.

Distanzierung stößt in Russland auf heftige Kritik

In ihrer russischen Heimat stößt die Distanzierung auf heftige Kritik. Das Opern- und Ballettheater in Nowosibirsk sagte eine für den 2. Juni geplante Gala mit ihr ab: "Heute ist nicht die Zeit, Prinzipien zugunsten komfortablerer Lebensbedingungen zu opfern", heißt es in der Stellungsnahme. Die putin-freundliche Zeitung "Prawda" bezeichnete sie als "schwache Frau". Peter Jungblut hat für den BR die Reaktionen aus Russland zusammengefasst.

Staatsoper Berlin und New Yorker Met reagieren abwartend

Die Berliner Staatsoper Unter den Linden möchte zunächst direkte Gespräche mit der Sängerin abwarten. "Im Moment ist es so, dass sie von sich aus darauf verzichtet hat, die "Turandot" in dieser Phase bei uns zu machen, darüber haben wir uns gemeinsam mit ihr geeinigt", sagte Intendant Matthias Schulz am Donnerstag nach Angaben der Staatsoper. "Über zukünftige Projekte kann ich mich noch nicht äußern, grundsätzlich haben wir gesagt, dass russische Künstler natürlich weiter bei uns auftreten", sagte Schulz. "Mir wäre es wichtig, mit Anna Netrebko erst einmal direkt zu sprechen, das möchte ich gern abwarten."

Auch der New Yorker Metropolitan Opera reicht die Distanzierung nicht, sie kündigte an, die Zusammenarbeit erst einmal nicht wieder aufnehmen zu wollen. "Wenn Anna zeigt, dass sie sich ernsthaft, komplett und langfristig von Putin distanziert hat, dann wäre ich für eine Unterhaltung bereit", sagte der Direktor der Metropolitan Oper, Peter Gelb, der Deutschen Presse-Agentur in New York.

AUDIO: Axel Brüggemann über Kultur und Politik (6 Min)

Anna Netrebko und Wladimir Putin vor dem Ukraine-Krieg

In ihrer Mitteilung schreibt Netrebko, sie habe Präsident Putin in ihrem Leben nur eine Handvoll Mal getroffen, vor allem im Rahmen von Verleihungen von Auszeichnungen für ihre Kunst oder bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele. Sie habe ansonsten nie finanzielle Unterstützung von der russischen Regierung erhalten.

Netrebko hatte im vergangenen Jahr ihren 50. Geburtstag im Moskauer Kremlpalast mit einem vierstündigen Galakonzert gefeiert. Während der Veranstaltung wurden auch Glückwünsche von Wladimir Putin verlesen, in denen er Netrebkos Gesangskunst würdigte und betonte, dass "Russland stolz auf sie als Vertreterin unserer heimischen Gesangschule" sei.

Zudem hatte Netrebko 2012 eine Petition von 500 russischen Künstlern, Wissenschaftlern und Sportlern zur Wiederwahl Putins zum Präsidenten unterstützt. 2014 posierte sie bei der Übergabe einer Spende für ein Opernhaus in Donezk mit Oleg Zarjow, einem der Separatistenführer in den umkämpften ostukrainischen Gebieten, für ein Foto mit einer Separatisten-Flagge. Eine politische Bewertung der Ukraine-Krise lehnte Netrebko jedoch damals ab. "Das ist Politik, und ich habe nichts mit Politik zu tun", sagte sie 2014. Sie wolle lediglich etwas tun, um die Kunst zu unterstützen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch unterwegs | 30.03.2022 | 17:20 Uhr

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