Die russische Opernsängerin Anna Netrebko steht seit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine wegen ihrer Nähe zum Kreml unter Druck. Netrebko verurteilte zwar den Krieg allgemein. Dass sich die 50-Jährige aber nicht von dem russischen Präsidenten Wladimir Putin distanzierte, handelt ihr weiter Kritik ein. Netrebko hatte vergangenes Jahr ihren 50. Geburtstag im Kreml gefeiert und die Krim-Annexion begrüßt. Nachdem viele ihrer Konzerte abgesagt wurden und weitere Absagen drohten, erklärte die Sopranistin, sich »bis auf Weiteres aus dem Konzertleben zurückzuziehen«.
Nun muss Netrebko einen weiteren Rückschlag hinnehmen. Der Opernstar und die Berliner Agentur Centre Stage Artist (CSAM) gehen getrennte Wege. Judith Neuhoff, Chefin der Agentur, bestätigte auf Anfrage des SPIEGEL die Trennung: »Wir vertreten Anna Netrebko nicht mehr.«
Zu Hintergrund oder Motiv wollte sie nichts mitteilen, auch nichts zu der Frage, ob CSAM Netrebko den Laufpass gegeben oder die Künstlerin gekündigt habe. Von Netrebkos New Yorker PR Agentur 21C Media Group oder aus ihrem Umfeld waren zunächst keine Stellungnahmen zu erhalten. In der Klassikszene wird dem Vernehmen nach davon ausgegangen, dass CSAM die langjährige Zusammenarbeit mit Netrebko aufgekündigt hat – möglicherweise im Einvernehmen.
Die Agentur ist ein Tochterunternehmen der Universal Music Group, dem Musikunternehmen mit dem weltweit größten Marktanteil. Zu ihm gehören auch Sony und Warner Music. Universal Music hatte aus Protest gegen den Krieg alle geschäftlichen Aktivitäten in Russland »mit sofortiger Wirkung« eingestellt. Der Konzern forderte »ein schnellstmögliches Ende der Gewalt«.
Netrebko hat einen Plattenvertrag mit der Deutschen Grammophon, einem Label, das ebenfalls zu Universal gehört. Bisher hält es an Netrebko fest – es plant nach eigenen Angaben aber derzeit keine neuen Aufnahmen mit der Sopranistin.
Auf der Homepage von CSAM wurde das Profil Netrebkos inklusive biografischer Daten bereits gelöscht. Ihr aserbaidschanischer Ehemann Yusif Eyvazov wird weiterhin als Klient der Agentur geführt. CSAM hatte Netrebko weltweit vertreten. Nur für Russland gibt es eine Ausnahme. In ihrer Heimat lässt sich Netrebko von Berin Iglesias Art mit Sitz in Düsseldorf vertreten. Dort steht ein Netrebko zugewiesenes Zitat am Beginn ihrer Biografie: »Ich arbeite mit allen Kollegen – ungeachtet ihrer Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung.«
Im Sommer in Deutschland?
Netrebko plant eine Reihe von Auftritten. Auf der Homepage von Berin Iglesias Art ist ein Konzert für den 9. April in Zagreb angekündigt, auf dem Internetauftritt von Netrebko selbst stehen Hinweise auf Konzerte im Mai in Paris und Mailand, im Juni in Luzern und ab Sommer auch in Deutschland.
Anfang September etwa steht sie im Programm der Hamburger Elbphilharmonie. Das Konzert von Netrebko und Eyvazov sollte dort ursprünglich am 2. März stattfinden.
Die Elbphilharmonie stellt das Gebäude zur Verfügung, Veranstalter ist das Hamburger Unternehmen River Concerts, das den großen Saal angemietet hat. Ob es stattfindet, ist offen. Die ursprünglich für Ostern in der Elbphilharmonie geplanten Konzerte mit dem russischen Dirigenten Valery Gergijew mit dem Orchester des Mariinski-Theaters wurden bereits abgesagt. Stattdessen sollen zwei Benefizkonzerte stattfinden. Nach Angaben des Elbphilharmonie wollen alle Künstlerinnen und Künstler, die dort auftreten, auf Honorare verzichten, die Ticketeinnahmen sollen zu 100 Prozent der »Aktion Deutschland Hilft« zugutekommen.
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