Lancia, Ferrari, Lamborghini und vor allem Alfa Romeo – auf italienische Klassiker lässt Ralf-Hendrik Steinkühler nichts kommen. Denn sie sind nicht nur seine große Liebe, sondern sichern dem Oldtimer-Händler aus Hamburg auch den Lebensunterhalt. Doch dummerweise mag zwar seine Bewunderung ansteckend sein, aber seine Leidenschaft ist es nur bedingt.
Denn immer wieder hat der Händler erlebt, dass die Interessenten enttäuscht von ihrer Probefahrt zurückgekommen sind. Zu langsam, zu unkomfortabel, zu unsicher, fasst er die Kritik zusammen. Vor allem jüngere Kunden seien offenbar zu verwöhnt von neuen Autos, als dass sie sich auf etwas Altes einlassen wollten, hat er beobachtet.
Den Weg aus diesem Dilemma soll Steinkühler und seinen Kunden der Emilia GT weisen. Das mit einigen Partnern selbst entworfene Modell ist eine Kreuzung aus dem legendären Alfa Giulia GT der 1960er-Jahre und der aktuellen Alfa Giulia.
Es vereint das Design des Klassikers mit der Technik eines Neuwagens. Aufgebaut auf originalen Oldtimern soll das Auto laut Steinkühler in diesem Sommer in einer Auflage von 22 Stück ab etwa 400.000 Euro in den Handel kommen.
Oldtimer mit moderneren Motoren
Steinkühler folgt damit einem Trend, der in der Oldtimer-Szene schon seit Langem schwelt. Immer wieder werden Klassiker nicht nur restauriert, sondern dabei auch modernisiert und so zum Restomod.
„Die Idee gibt es bereits seit den 1950er-Jahren, als in Großbritannien zumeist Limousinen aus der Vorkriegszeit mit rennwagenähnlichen Karosserien in sogenannte Specials verwandelt wurden“, sagt Frank Wilke vom Marktbeobachter Classic Analytics.
Daraus sei eine gar nicht mal so kleine Gemeinde von Oldtimerfans erwachsen, die ihre Autos mit moderneren Motoren, Bremsen oder Fahrwerken ausgerüstet hat. „Die Autos sollen schneller werden und leichter zu fahren sein“, sagt Wilke.
Neben Neueinsteigern wie Steinkühler gibt es in diesem Geschäft schon einige Unternehmen mit Tradition. Mechatronik in Pleidelsheim bei Stuttgart etwa hat sich alten Mercedes-Modellen verschrieben. Die werden mit neuer Technik buchstäblich flottgemacht.
Für den SL der Baureihe W 113 sowie die Cabrios und Coupés der Baureihe W 111 bieten die Schwaben nicht nur neue V6- oder V8-Motoren sowie ein zeitgemäßes Fahrwerk an. Sondern sie integrieren nahezu unsichtbar moderne Extras wie elektrische Fensterheber oder eine Sitzheizung. Dass ein Luxuscabrio dann schnell mal 300.000 Euro kostet, scheint die Kundschaft dabei kaum zu stören.
Käfer mit Porsche-Motoren
Georg Memminger aus Reichersthofen bei Ingolstadt modernisiert den VW Käfer. Dabei sorgen auch Porsche-Motoren für ein Vielfaches an Leistung. Versteckt im alten Gewand werden auch Xenon-Scheinwerfer oder ABS.
Mit dem Original habe das zwar nicht mehr viel zu tun, räumt der Käfer-Kenner ein: „Doch dafür fahren die Autos dann besser als in jener Zeit, als er vom Band gelaufen ist.“
Der ehemalige Rocksänger Rob Dickinson aus Los Angeles hat sich mit seiner Marke Singer einen Namen gemacht – mit Neuinterpretation des Porsche 911 aus der Baureihe 964. Seine Autos sind mittlerweile sehr viel teurer als viele originale Oldtimer und schwerer zu bekommen. Die Lieferzeiten der Manufaktur liegen bei mehr als einem Jahr.
Auch am Sammlermarkt seien solche Autos längst angekommen, sagt Wilke: Die englischen Specials seien heute anerkannte Liebhaber-Fahrzeuge, die zu hohen Preisen gehandelt würden. Und keine große amerikanische Auktion komme heute ohne einen Restomod aus.
Zwar kann Oldtimerspezialist Wilke der Idee etwas abgewinnen, stellt aber ein paar klare Regeln auf. Leitgedanke sei immer die Frage, wie man das entsprechende Auto mit den Mitteln von heute gebaut hätte. Die Basis müsse ein altes Auto sein, sonst ist es retro und nicht resto.
Und damit der Umbau authentisch bleibe, brauche es möglichst Teile des gleichen Herstellers. Etwa so, wie es auch Steinkühler bei seinem Emilia GT macht. Er verwendet den 375 kW/510 PS starken Motor aus der neuen Giulia.
„Wer da munter Marken mischt, baut einen automobilen Frankenstein, den niemand will“, sagt Wilke. Aber wenn diese Autos technisch und handwerklich überzeugten, seien sie für Liebhaber interessant. „Nur echte Klassiker werden sie nicht, weil man sie jederzeit in fast unbegrenzter Anzahl vervielfältigen kann.“
Elektrischer Rochen oder Manta, Manta 2.0
Weil die Hersteller nur ungern die Deutungshoheit über ihre Produkte abgeben, haben Mercedes & Co solche Projekte bislang eher kritisch gewürdigt und bisweilen sogar prozessiert. Doch mittlerweile scheint die Front zu bröckeln.
Porsche zum Beispiel ist von der Arbeit Singers offenbar so angetan, dass die amerikanische Motorsportabteilung gerade entschieden hat, den Umrüster mit scharfgemachten Sechszylindern zu beliefern.
Opel hat 2021 sogar seinen eigenen Restomod gebaut. Um für die Elektrifizierung der Modellpalette zu werben, haben die Hessen bei einem 1973er Manta den Benziner gegen einen Batterieantrieb ausgetauscht. Getreu der Restomod-Idee wurden auch noch andere Details umgesetzt – bis hin zum digitalen Cockpit und der Kühlermaske mit LED-Beleuchtung und Textfeld.
„Elektromobilität ist cool. Und Opel will es auch sein, wie könnten wir das besser zum Ausdruck bringen als mit so einem Auto“, sagt Designer Pierre-Oliver Garcia.
Ein Designprofessor gerät ins Schwärmen
Selbst wenn der Manta GS/E allen Hoffnungen der Fans zum Trotz wohl nur ein Einzelstück bleibt: Er steht damit für einen Ausweg aus der Sackgasse, in die das Auto gerade fährt – glaubt zumindest der Kölner Designprofessor Paolo Tumminelli: Der Restomod sei die ultimativ postmoderne Antwort auf die Intoleranz vieler Autoliebhaber für die Absurdität gegenwärtigen Automobildesigns. „Denn diese Fahrzeuggattung zeigt, dass in puncto Design viele ältere Autos den heutigen überlegen sind“, sagt der Professor.
Er schwärmt von schlanken, kompakten, funktionalen, effizienten, stilsicheren und selbsterklärenden Entwürfen. „Aber früher war nicht alles besser“, sagt er. Denn Klassiker litten unter mangelnder Leistung, weniger Sicherheit und schlechter Umweltverträglichkeit. Von neumodischen Anforderungen wie der Konnektivität ganz zu schweigen. „Da kommt das Restomodding doch gerade recht.“
Er sieht darin das automobile Äquivalent zum Upcycling: „Lieber macht man Klassiker zu exklusiven Langzeitautos, statt pseudoluxuriöse Wegwerfware neu zu erwerben.“
Am besten gelingt das mit einem Elektroantrieb wie etwa beim Opel Manta, ist der PS-Philosoph überzeugt: „Als aufgeklärter Automobilliebhaber kann ich weder einen Emissionsreichen Klassiker akzeptieren, noch ein nur vermeintlich umweltfreundliches Elektro-SUV“, sagt er. „Aber ich kann mir nichts Besseres vorstellen, als lautlos und emissionsfrei im grandiosen Ambiente eines würdigen Oldtimers in die Zukunft zu fahren.“
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