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Das Schalker Wunder bleibt aus - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

An das Bild verirrter Schalker Abwehrspieler haben sich die Freunde der Bundesliga mittlerweile hinlänglich gewöhnen können, ungezählte Fehler sind der mit Abstand schwächsten Verteidigung der Liga in dieser Saison passiert. Am 20. Spieltag wurde die königsblaue Gruselshow in Form eines 0:3 gegen RB Leipzig fortgesetzt, mit einem neuen Protagonisten allerdings, der sich bestens einfügte in das Ensemble des Niedergangs.

Erstmals spielte der vom FC Arsenal nach Gelsenkirchen gewechselte Skhodran Mustafi für Schalke, der die Partie dann prompt mit einem entscheidenden Fehler auf den Weg eines klaren Leipziger Sieges lenkte. Und später mochte er nicht einmal richtig einsehen, dass er das 0:1 in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit hätte verhindern müssen. „Ich bin eigentlich in der Zone“, räumte der Weltmeister von 2014 zwar ein, nachdem er Nordi Mukiele bei einem Leipziger Eckball zunächst gedeckt hatte, dann aber doch entkommen ließ.

Auf die Frage, ob ihm hier ein Fauxpas unterlaufen sei, verlor er sich dann jedoch in schwer verständlichen Ausflüchten und sagte, bei Standards müsse der FC Schalke „generell das eine oder andere umstellen“. Der Auftritt eines neuen Anführers ist das weder während des Spiels noch danach gewesen.

Dabei war Mustafi war als wertvolle Abstiegskampfhilfe angekündigt worden, als Persönlichkeit, die nicht nur fußballerisch, sondern auch im Teamgefüge eine wichtige Rolle spielen soll. Und zwar ab sofort. Ein paar hübsche Grätschen zeigte er seinem Publikum dann auch, nach diesem ersten Spiel steht allerdings die Vermutung im Raum, dass mal wieder eine Schalker Personalentscheidung schiefgegangen sein könnte.

Mustafi spielt ohne eine Trainingseinheit

Mustafi soll den nach Liverpool verliehenen Ozan Kabak ersetzen, dessen endgültiger Verkauf – wenn alles klappt – im Sommer viel Geld auf die leeren Schalker Konten spülen konnte. Dass mit dieser Rochade der Klassenerhalt wahrscheinlicher wurde, muss jedoch stark bezweifelt werden. Zumal auch der bislang recht souverän agierende Trainer Christian Gross mehr und mehr in den Sog der Schalker Fehlerhaftigkeit hineingerät.

War es klug, Mustafi, der sich nach seiner Ankunft aus England bis Freitag in Quarantäne befand, ohne eine einzige Trainingseinheit auf Schalke aufzustellen? Oder wäre es besser gewesen, auf den beim 0:1 in Wolfsburg am Dienstag noch stark spielenden Malik Thiaw zu setzen? Er halte Erfahrung derzeit für besonders wichtig, erläuterte Gross, aber Mustafis Routine half nicht. Die Mannschaft – oder genauer: Mustafi – habe „einfach schlecht verteidigt“ vor dem ersten Gegentreffer, verkündete Gross und sagte ganz offen, dass er mit Mustafis Leistung „nicht hundertprozentig zufrieden“ gewesen sei.

Denn so ein Gegentor im besonders ungünstigen Moment, das auch noch ein Fremder im eigenen Team verschuldet, ist nicht einfach zu verkraften. Nach einer starken ersten Schalker Hälfte war Leipzig mit der Führung im Rücken plötzlich klar überlegen. Sabitzer (73.) und Orban (87.) erzielten die weiteren Tore, und wahrscheinlich hätte der Tabellenletzte auch ohne Mustafis Fehler verloren. Aber um neue Hoffnung zu schöpfen, muss eben möglichst bald und möglichst oft das Unwahrscheinliche passieren.

Das Wunder bleibt jedoch aus, und damit verlieren die Schalker Wintermaßnahmen immer mehr an Energie: Klaas-Jan Huntelaar hat offensichtlich mit so viel Ehrgeiz trainiert, dass seine Wadenverletzung wieder aufgebrochen ist, der legendäre Stürmer saß nur auf der Tribüne. Sead Kolasinac, der ebenfalls vom FC Arsenal kam, spielte ordentlich, aber längst nicht so schwungvoll wie in seinen ersten Partien.

Der vom VfL Wolfsburg geliehene Außenbahnspieler William agierte unauffällig, und Gross selbst kann wahrscheinlich gar nicht alles richtig machen in diesem schwierigen Verein. Das Wagnis mit Mustafi, der vor dem Spiel keinen persönlichen Kontakt mit den Kollegen hatte, ging jedenfalls schief. Und wäre es nicht die Aufgabe des Trainers, Huntelaar in seinem Trainingseifer zu bremsen, um Verletzungen vorzubeugen?

Solche Fragen lassen sich im Nachhinein immer leicht formulieren, vielleicht hat Gross andere Dinge richtig gemacht, die von außen nicht wahrnehmbar sind. In der Gesamtschau zeigt sich aber immer deutlicher, dass der Umschwung einfach nicht gelingt. Von den sechs jüngsten Pflichtspielen haben die Schalker fünf verloren, nur in Bremen erkämpften sie sich einen Punkt, das Torverhältnis in dieser Phase: 3:14. Das sind Zahlen, die stark an die schlimmen Bilanzen aus dem Vorjahr erinnern. Er sei „nach wie vor überzeugt: Wir werden das schaffen“, sagte Gross noch, aber das entschlossene Aufbäumen, mit dem der Klub ins neue Jahr gestartet war, weicht nun doch mehr und mehr einem Eindruck der Vergeblichkeit.

Wäre jetzt der achte oder der zehnte Spieltag, dann könnten Optimisten in dieser Mannschaft vielleicht wirklich mit der Entfaltung ungenutzter Potentiale kalkulieren, nach fast zwei Dritteln der Saison hilft nur noch eine wundersame Siegesserie. Ungleich wahrscheinlicher ist, dass es nicht mehr lange dauert, bis die letzten Hoffnungen von einem Gefühl des Abschieds verdrängt werden in Gelsenkirchen.

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