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Vierschanzentournee: Andreas Wellinger triumphiert in Oberstdorf mit „Mordssprung“ - WELT

Es war angerichtet in der Skisprung-Arena Oberstdorf: 25.500 Zuschauer jubelten, klatschten und schwenkten kleine Deutschland-Fahnen, als sich Andreas Wellinger in die Anlaufspur der Schattenbergschanze schob. Er flog und flog und flog – ästhetisch, weit und „makellos“, wie Bundestrainer Stefan Horngacher später staunte. 139,5 Meter im ersten Durchgang - das bedeutete die Führung vor Ryoyu Kobayashi aus Japan, dem Österreicher Stefan Kraft und Lokalmatador Karl Geiger auf Platz vier.

„Ein Mordssprung, richtig geil“, sagte Geiger über Wellingers Versuch. Sogar die Traumnote 20 erhielt der Olympiasieger von 2018 von einem der fünf Kampfrichter für seinen ersten Wettkampfsprung dieser Tournee. „Zum wichtigsten Zeitpunkt haut er so einen raus“, lobte Horngacher. Und Wellinger konnte auch im zweiten Durchgang überzeugen, behielt die Nerven: Am Ende siegte der 28-Jährige vor Kobayashi und Kraft, während der Tournee-Champion des vergangenen Jahres nur zuschaute. Titelverteidiger Halvor Egner Granerud aus Norwegen hatte den zweiten Durchgang verpasst und hat damit schon jetzt keine Chance mehr, erneut den Gesamtsieg zu holen.

Da ist die Gewissheit - und die Teamkollegen jubeln mit: Andreas Wellinger reagiert nach seinem Sieg
Da ist die Gewissheit - und die Teamkollegen jubeln mit: Andreas Wellinger reagiert, als die „1“ auf der Anzeige erscheint
Quelle: dpa/Daniel Karmann

Wellinger musste erst mal nach Worten ringen. „Ich bin ein bisschen sprachlos und mega glücklich“, sagte er in der ARD. „Aktuell ist es das Größte für mich. Der Weg hierher war hart. Es macht mich extrem stolz, ich werde das jetzt genießen.“ Wellinger hatte nach einem Kreuzbandriss 2019 lange vergeblich um die Rückkehr in die Weltspitze gekämpft, aber nie aufgegeben und weiter an sich geglaubt.

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Andreas Wellinger

Schon am Vortag hatten Wellinger als Erster und Geiger als Zweiter der Qualifikation geglänzt. Während Geiger im zweiten Durchgang des Wettbewerbs bei schwierigen Bedingungen noch auf Platz sieben zurückfiel, bewies sein Teamkollege nun auch in jenem Moment, als es richtig drauf ankam, dass er in Topform ist und genauso stark weiterspringt, wie er es vor der Weihnachtspause getan hatte. Die Freude und Erleichterung war unüberseh- und unüberhörbar. Auch beim Bundestrainer. „Ich bin extrem froh, dass wir es so hinbekommen haben. Es ist enorm viel Druck abgefallen“, sagte Horngacher. „Grandiose Leistung von Andi.“ Ebenfalls stark: Youngster Philipp Raimund (23) belegt Platz sechs. Pius Paschke wird Elfter, Stephan Lehye landet auf Rang 24.

Ganz anderes Bild als beim Desaster vor einem Jahr

Zwar ist erst die erste von vier Stationen beendet, doch dass die Traditionsveranstaltung aus deutscher Sicht ein Desaster wird wie im vergangenen Jahr, scheint weit entfernt. Damals war die Ausgangssituation so schlecht wie lange nicht mehr gewesen: Einzig Karl Geiger stand zum Start in Oberstdorf als Siebter unter den besten zehn Springern des Gesamtweltcups. Der Auftakt vor einem Jahr lief dann überraschend gut - Geiger und Wellinger verpassten nur knapp das Podest.

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Dann aber gerieten die Deutschen zu Nebendarstellern und die Vierschanzentournee für sie zu einem Ereignis zum Vergessen. Bester Deutscher: Wellinger auf Rang elf. So schlecht war die Bilanz seit zwölf Jahren nicht gewesen. Und es wurde im gesamten vergangenen Winter nicht viel besser - wenige Ausnahmen und Wellingers erfolgreicher Kampf zurück nach schweren Jahren mal ausgenommen.

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Diese Saison nun ist anders, die Deutschen fliegen wieder und sind als starkes Team in die Tournee gegangen: Hinter Stefan Kraft belegen Wellinger, Geiger und Pius Paschke die Plätze zwei, drei und vier im Gesamtweltcup. Da keimte wieder Hoffnung auf. Hoffnung auf den ersten Tourneesieg eines Deutschen seit Sven Hannawalds Vierfach-Coup 2002. Oft waren sie ja auch dicht dran gewesen: Zwischen 2016 und 2021 sammelten die Deutschen vier zweite und zwei dritte Plätze in der Gesamtwertung. Nur für ganz oben reichte es nie.

Anflug zum Sieg: Andreas Wellinger springt vorbei an deutschen Fahnen
Anflug zum Sieg: Andreas Wellinger springt vorbei an deutschen Fahnen
Quelle: dpa/Angelika Warmuth

Die jährlich wiederkehrenden Fragen, ob es denn dieses Mal klappen würde, nerven Wellinger dennoch nicht. „Wir sind ja froh, dass wir zu dieser Zeit im Jahr die Aufmerksamkeit haben und uns viele Sportbegeisterte zuschauen“, sagte der 28-Jährige im WELT-Gespräch. Zur Drucksituation ergänzte er: „Es wird leichter, weil man es kennt, weil ich weiß, was auf mich zukommt. Und weil ich mittlerweile schon oft in verschiedenen Situationen war: in der Außenseiterrolle oder auch in der Favoritenrolle. Und weil wir den Tourneesieg genauso wollen wie jeder Zuschauer.“

Den Grundstein für eine auch aus deutscher Sicht spannende Vierschanzentournee haben sie nun zumindest schon mal gelegt. Was die Platzierungen aus Oberstdorf tatsächlich wert sind, wird sich schon beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen etwas genauer herauskristallisieren.

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