Man kann sich jetzt die Frage stellen, wer nach zwei Tagen Koalitionsausschuss als Sieger vom Platz geht: die Grünen, die FDP oder die SPD? Man kann sich aber auch die Frage stellen, ob die Einigung der Erreichung der politischen Ziele dieser Koalition dient. Diese sind: Das Klima schützen und den Wohlstand bewahren.
Mit den nun beschlossenen Maßnahmen wird der Klimaschutz eindeutig zum Modernisierungsprojekt erklärt. Nicht mit Einschränkungen und Verzichtsaufrufen will die Ampel die Klimawende schaffen, sondern mit einer Entfesselung der Innovationskräfte. Vorsprung durch Technik, sozusagen.
Das Beispiel mit der größten Symbolwirkung: Bislang wurden im Klimaschutzgesetz für die Wirtschaftssektoren (Verkehr, Industrie, Landwirtschaft und so weiter) einzelne Klimaziele definiert, die dann eingehalten werden mussten. Künftig wird es grob gesagt nur ein deutschlandweites Klimaziel geben. Und wenn beispielsweise die Industrie mehr Kohlendioxid einspart, muss der Verkehr weniger einsparen.
Hürden aus dem Weg geräumt
Das ist erst einmal keine schlechte Idee, schließlich ist es dem Klima egal, woher das Treibhausgas stammt, das in die Atmosphäre gelangt, beziehungsweise wo es eingespart wird. Und die ökonomische Logik gebietet, da mit dem Sparen anzufangen, wo es volkswirtschaftlich betrachtet am günstigsten ist. Die neue Regelung erlaubt diese Flexibilität, was wiederum die Minister mit einer schlechten Klimabilanz (die vor allem Verkehrsminister Volker Wissing aufzuweisen hat) politisch ein wenig entlastet. Aber wir wollten ja nicht politisch werden.
Auch sonst werden der Modernisierungswalze die Hürden aus dem Weg geräumt. Genehmigungsauflagen zum Beispiel. Oder Naturschutzrichtlinien. Damit Platz ist für mehr Windräder und Stromleitungen. Für den Ausbau der Bahn zahlen über eine höhere Maut die Lastwagenfahrer. Und es dürfen zwar weiter Autobahnen gebaut werden, dafür werden sie mit Solaranlagen ausgestattet. Näher waren sich gelb und grün wahrscheinlich nie.
Der Staat spielt bei der großen Transformation weiter eine wichtige Rolle: Allen liberalen Bekenntnissen zur Technologieoffenheit zum Trotz hat die Koalition einem faktischen Verbot der Neuzulassung von Verbrennermotoren im Personenverkehr in der EU zugestimmt, auch Öl- und Gasheizungen werden über kurz oder lang in Privatwohnungen vom Markt verschwinden – auch wenn es "ausreichende Übergangszeiträume" geben soll (die in diesem Fall entscheidenden Details müssen erst noch festgelegt werden). Und natürlich soll es Ausgleichszahlungen für Menschen mit wenig Geld geben, damit "niemand im Stich gelassen" wird, wie die Koalitionäre schreiben.
Eine Art Liberalisierung des Klimaschutzes
Dennoch geht mit diesem Maßnahmepaket eine gewisse – nun ja – Liberalisierung des Klimaschutzes einher. Also: Weniger staatliches Projektmanagement, mehr Anreize für Unternehmen und Haushalte. Es wird auch nicht wie in den Vereinigten Staaten ein Topf mit sehr viel Geld für neue Subventionen, etwa der Elektromobilität, bereitgestellt. Stattdessen soll eine Kombination aus Förderung, Auflagen und (bereits vorher vereinbarten) höheren Preisen für die Emission von Kohlendioxid das Problem lösen.
Wird das funktionieren? Die böswillige Interpretation: In dem Augenblick, in dem die Regierung beim Verkehr ihre Klimaziele nicht erreicht, schreibt sie das Klimagesetz um. Dann wäre das Ergebnis am Ende nur weniger Klimaschutz. Die wohlwollende: Das Klimagesetz war in seiner ursprünglichen Form ohnehin zu bürokratisch und die Technik wird uns am Ende alle retten. Viel wird davon abhängen, wie die Vorschläge nun umgesetzt werden. Eines aber ist nach diesem Koalitionsausschuss klar: Die Ampel hat ihre klimapolitische Strategie definiert. Und alle drei Farben kommen darin vor.
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