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Andretti läuft die Zeit davon: Cadillac bringt eigene Technik - Auto Motor und Sport

Nichts in der Formel 1 ist einfach. Schon gar nicht die Bewerbung für einen Platz in dem exklusiven Teilnehmer-Club. Als Michael Andretti und seine Investoren zum ersten Mal anklopften, da hieß es, dass nur mit einem Hersteller im Verbund ein Mehrwert für den Sport gegeben sei. Als Andretti jetzt mit GMs Edelmarke Cadillac ein Schwergewicht als Partner präsentierte, störte man sich daran, dass Andretti und Cadillac den Einstieg mit einem Kundenmotor planen müssen.

Kritiker warfen dem US-Hersteller vor, sich einfach nur einen Aufkleber auf den Autos und dem Motor kaufen zu wollen. Mario Andretti dagegen verrät, dass der Anspruch des zweitgrößten Autokonzerns der Welt ein ganz anderer ist: "Das ist keine Sternschnuppe oder ein PR-Gag. GM hat seinen Stolz. Die wollen sich nicht einfach irgendwo dranhängen, sondern selbst Technik einbringen. Das ist es, was sie an dem Projekt interessiert. Und sie wissen, was sie erwartet. General Motors hat bereits ein Technologiezentrum für den Motorsport. Und sie werden weiter in diese Abteilung investieren, um schließlich alle technischen Aspekte von Auto und Motor selbst abzudecken."

Tatsächlich hat der Detroiter Autoriese in Concord nahe Charlotte bereits eine Rennfabrik, in der die Renneinsätze in der NASCAR, IndyCar, IMSA und WEC technisch vorbereitet und unterstützt werden. Motorsport ist für Cadillac und Chevrolet ein Vehikel geworden, ein altes verstaubtes Image abzustreifen und sich neu zu positionieren.

Mario Andretti - GP USA 2022
Motorsport Images

Mario Andretti ist ein gern gesehener Gast im Formel-1-Fahrerlager. Der Weltmeister von 1978 absolvierte zuletzt in Austin im Alter von 82 Jahren einen Showrun in einem modernen McLaren F1-Renner.

Alter Traum kurz vor Erfüllung

Laut Andretti gab es schon vor der Entscheidung für ein Formel-1-Projekt bei GM Pläne, die Marke Cadillac aggressiver zu vermarkten und sie internationaler aufzustellen. "Bis jetzt war Cadillac nur eine Luxusmarke. Doch GM will Cadillac zusätzlich einen sportlicheren Touch geben. Die Blackwing-Version des CT5-V hat immerhin 660 PS. Ihre Kampagne wird bereits unterstützt durch die Erfolge in der IMSA-Serie. Jetzt wollen sie auch nach Le Mans. Die Formel 1 passt da wunderbar in ihre Strategie. Eigentlich müsste die Formel 1 sagen: Welcome Cadillac."

Mario Andretti wird fast ein bisschen sentimental, jetzt wo die Chance besteht, eine Firma in die Königsklasse zu bringen, die Motorsport lange stiefmütterlich behandelt hat. "Das könnte ein historischer Moment sein. Erinnern Sie sich an Zora Duntov? Er war ein belgischer Ingenieur und der geistige Vater der Corvette. Ich lernte ihn bei den Can-Am Rennen Ende der 60er Jahre kennen. Da wir beide aus Einwandererfamilien stammen, haben wir uns schnell angefreundet. Ich habe damals schon zu Zora gesagt, dass er GM in den großen Motorsport, am besten in die Formel 1 bringen muss. Er hat mir immer geantwortet: Ich versuche es ja, ich gebe mein Bestes, aber komme damit nicht durch."

Duntov starb 1996. Sein alter Freund ist sich sicher: "Zora sitzt jetzt da oben, mit einem Lachen auf dem Gesicht, wenn er hört, dass General Motors endlich in die Formel 1 will. Sie wollen sich nicht mit fremden Federn schmücken, sondern ein echter Player in dem Geschäft werden. GM hat seinen Stolz. Sie haben in vielen technischen Bereichen gutes Knowhow und sind nicht einfach nur so in dieses Projekt gestolpert. Sie haben fünf Monate lang jeden Aspekt geprüft, und wenn sie nicht voll überzeugt wären, würden sie es nicht tun."

Cadillac CT5-V Blackwing
Cadillac

GM will der Marke Cadillac mit dem Formel-1-Engagement ein sportlicheres Image verpassen. PS-starke Autos, wie den Cadillac CT5 V Blackwing, gibt es schon einige im Portfolio.

Alle FIA-Anforderungen erfüllt

Michael Andretti traf sich zum ersten Mal im Mai 2022 mit GM-Leuten, die das IndyCar-Projekt betreuen und präsentierte ihnen seine Pläne. Vater Mario hatte Verbindungen zu Angestellten aus dem höheren Management. Nachdem das erste Interesse geweckt war, prüfte General Motors über mehrere Monate hinweg auf allen Ebenen, was man selbst dazu beitragen könnte.

"Als es positiv bewertet wurde, gab es Gespräche mit dem Top-Management. Eine Firma wie GM trifft so eine Entscheidung nicht einfach aus dem Bauch heraus. Sie haben ja auch etwas zu verlieren, wenn es nicht klappt. Aber sie haben das Gefühl, dass etwas daraus werden könnte, und dass es für die Firma eine gute Zeit ist, im Motorsport Flagge zu zeigen", erzählt der Weltmeister von 1978.

Die Begeisterung für das Abenteuer Formel 1 zeigte sich allein darin, dass General Motors mit der Ankündigung so früh wie möglich an die Öffentlichkeit wollte, wohl auch um zu verhindern, dass vorher etwas inoffiziell publik wird. Dass nur die FIA und nicht die F1-Bosse eingeweiht waren, hat sicher zu den reservierten Kommentaren auf Seiten des Formel-1-Managements beigetragen.

FIA-Präsident Mohammed bin Sulayem dagegen ging voll in die Offensive und äußerte sein Befremden darüber, dass eine Allianz zwischen Andretti und General Motors nicht mit offenen Armen empfangen wird. Er versprach den Antragstellern einen fairen Bewerbungsprozess.

Andretti ist überzeugt, ihn in allen Punkten zu bestehen. "Die FIA hat uns sehr spezifisch schon viele Fragen gestellt, und wir konnten sie alle zur vollen Zufriedenheit beantworten. Der Präsident hat alles schriftlich vor sich liegen, was für eine Bewerbung nötig ist. Als das nicht genug war, hat man von uns ein Hersteller-Engagement gefordert. Wir haben es gebracht. Was sollen wir noch mehr liefern?"

Cadillac V-LMDh - Daytona 2023
Cadillac

Mit dem neuen V-LMDh spielt Cadillac zumindest in der Prototypen-Klasse von Le Mans schon in der höchsten Motorsport-Liga.

Langfristiges Formel-1-Projekt

Am Ende müsste auch die Formel 1 zustimmen, wenn der Club auf elf Teams erweitert werden soll. In der Londoner Chefetage verschanzt man sich hinter der Aussage, dass es noch mehr Interessenten gebe und man alle nach gleichen Maßstäben behandeln müsse. Man könne sich nicht einen herauspicken, nur weil die Bewerbung von den Namen her attraktiv erscheint. Man müsse auch Sorge tragen, dass der Antragsteller ehrliche Motive habe und sein Franchise nicht nach ein paar Jahren wieder gewinnbringend verkauft.

Diese Sorge kann Andretti der Formel 1 nehmen: "Das ist ein langfristiges Projekt. Schauen Sie sich unsere Historie an. Jeder kann sehen, was Motorsport für unsere Familie bedeutet. Das ist unser Leben. Wir waren in keiner Serie nur kurzfristig drin, um Profit zu machen. Wir haben auch bereits unheimlich viel investiert und Ingenieure angeheuert, die nur darauf warten, dass es losgeht. Wenn die nicht an uns glauben würden, wären sie schon längst davongelaufen."

Andretti drängt auch diesem Grund die Zeit. Er kann seine Partner nicht ewig um Geduld bringen. Realistisch wäre ein Einstieg schon in der Saison 2025. Man will nicht bis 2026 warten, weil Cadillac nicht unvorbereitet in das neue Technik-Reglement gehen will. Im Moment arbeiten alle Personen so, als wäre das grüne Licht schon da.

Michael Andretti & Mohammed ben Sulayem - F1 2022
xpb

Rennstallboss Michael Andretti hat alle Voraussetzungen der FIA erfüllt. Jetzt müssen nur noch die F1-Inhaber von Liberty einem Einstieg zustimmen.

Ford gegen GM nur ein Traum?

Andretti räumt ein, dass die Zeit drängt. Wenn nicht bald eine definitive Antwort kommt, könnten es sich die bereits angeheuerten Schlüsselfiguren anders überlegen. Sie bleiben nur an Bord, wenn es mit der Formel 1 klappt. Es handelt sich um Leute, die schon in der Formel 1 gearbeitet haben und Erfahrung damit haben.

Der Einstieg müsste trotzdem nach dem Modell Haas erfolgen. Andretti müsste sich zu Beginn an ein anderes Team dranhängen und dann möglichst schnell zu lernen, um immer mehr selbst zu machen. Der Wunschpartner steht mit Renault bereits fest. Haas-Teamchef Guenther Steiner warnt jedoch, dass es Einsteiger in der Zukunft nicht mehr so einfach haben werden, wie es bei ihm der Fall war: "In der Zwischenzeit wurden einige Privilegien einkassiert, die wir noch hatten." Zum Beispiel freie Windkanal-Tests.

Andretti will die Autos und die Teile dafür in den USA bauen, das operative Geschäft aber von England aus führen. Dafür soll bis 2025 im Bundesstaat Indiana eine neue Rennfabrik entstehen. Parallel dazu werden Einrichtungen der Cadillac-Denkfabrik in North Carolina genutzt und immer mehr ausgebaut.

Michael Andretti äußerte sich optimistisch, dass sein Antrag trotz aller Widerstände am Ende akzeptiert wird. Auch sein Vater sieht keinen Grund für eine Ablehnung: "Niemand könnte verstehen, wenn die Formel 1 einen großen amerikanischen Hersteller ablehnen würde. Und wenn Ford auch noch kommen sollte, dann wäre das ein Traum. Könnte man sich etwas Besseres vorstellen, wenn diese Global Player in der Formel 1 die anderen herausfordern? Das ist ein Selbstläufer. Ich will positiv bleiben, was auch passiert."

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