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Technische Analyse: Nachhaltigkeitsindex im Technik-Check - FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung

In Scharm el-Scheich soll gerade mal wieder die Welt, besser gesagt: ihr Klima gerettet werden. 45 000 hoffentlich Berufene haben sich im Badeort am Roten Meer eingefunden, um bei der 27. COP (Conference of the Parties) irgendetwas zu vereinbaren, woran sich hoffentlich danach auch alle halten werden. Der Erfolg der vorangegangenen 26 COPs war, um das Mindeste zu sagen, eher mäßig. Schaut man sich auf einer Weltkarte die Regionen an, die seit dem Referenzjahr 1990 ihren Kohlendioxidausstoß verringert haben, liegt der Gedanke nahe, dass es in den unendlichen Weiten des Weltalls eine erreichbare, weit besser gepflegte und gehegte Ersatzerde geben muss.

Die Geschichte der Osterinsel kommt mir unvermittelt in den Sinn: Sie war einst bewaldet und ist es seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr. Obwohl Holz dringend für den Schiffs- und Häuserbau und wahrscheinlich auch für die Aufstellung der übergroßen Steinskulpturen gebraucht wurde, hat man irgendwann den letzten Baum gefällt. Die Hochkultur verschwand fast spurlos.

Ich will hier nicht den Eindruck eines vorbildlichen und oberschlauen Nach-haltigkeitsapostels erwecken. Wie wir alle könnte auch ich nicht nur manches besser machen. Ob mein Metier, die Finanzmärkte, dazu beitragen können, die Welt vor dem Klima-GAU zu bewahren, ist für mich auch noch keine ausgemachte Sache. Aber immerhin hat man schon zur Jahrtausendwende damit begonnen, Nachhaltigkeitsindizes zu kreieren.

Index der Nachhaltigkeit

Einer davon ist der abgebildete Dow Jones Sustainability Index World. Mit Sicherheit kann man über die Zusammensetzung seiner 325 Werte trefflich streiten. Aber immerhin soll ihr gemeinsamer CO2-Fußabdruck rund 55 Prozent geringer sein als beim weltweit rund 14 000 Aktien berücksichtigenden S&P Global Broad Market Index. Es mag eine Milchmädchenrechnung sein – und dennoch: Wenn die anderen 13 675 Unternehmen ihren CO2-Ausstoß auch halbieren könnten, wäre schon viel geleistet.

Aus technischer Sicht wichtig: Der Chart des DJS-Index sieht aus wie ein ganz normaler Chart und verhält sich auch so. Beispielsweise hat erst vor Kurzem die Unterstützung bei 1650 Punkten genau das geleistet, was man auch bei jedem anderen Chart erwarten würde: Erhebliche, zusätzliche Kaufbereitschaft kam auf, und der Index konnte sich bis heute gut sichtbar erholen. Mehr noch: Die Rahmenbedingungen dieses Kursanstiegs sind außergewöhnlich gut. Der vorerst letzte Kursrutsch bis Ende September erreichte nicht mehr die Dynamik seiner Vorgänger und hinterließ deshalb beim abgebildeten MACD-Indikator eine „positive Divergenz“. In wenigstens zwei Drittel aller Fälle ist diese fehlende Fähigkeit des Indikators, die neuen Zyklustiefs des Indexes nachzuvollziehen, ein echtes Stärkesignal.

Und nicht nur das: Meist sind diese „positiven Divergenzen“ sogar gute Hinweise darauf, dass sich die Optimisten nicht nur für einen Moment durchsetzen werden. Erholungen, die auf diesem vorangegangenen Auseinanderdriften von Indikator und Chart fußen, sollte es im Normalfall gelingen, die Hälfte bis rund zwei Drittel der vorangegangenen Verluste wieder wettzumachen. Mit dem aktuellen Allzeithoch von rund 2250 Punkten und dem bisherigen Baissetief von ebenso runden 1650 Punkten sollte der Index demnach schon das Zeug haben, wieder auf Niveaus markant oberhalb von 2000 Punkten zurückzukehren und damit vom aktuellen Indexstand aus etwa 10 Prozent zuzulegen.

Nur kurze Erholung oder mehr?

Die Gretchenfrage: Ist diese aktuelle Anstiegsbewegung wirklich nur eine Erholung, oder könnte sie schon der Beginn eines neuen Aufwärtstrends sein? So formuliert, kann man reinen Gewissens antworten: Möglich wäre es schon. Es ist aber nicht wahrscheinlich. Die Mehrzahl der Korrekturen oder Baissen lassen es nicht mit einem „Runter“ bewenden, sondern legen nach einer Erholung noch einmal nach. Ein gutes Beispiel dafür ist, was in den Jahren 2018 bis 2020 zwischen 1650 und 1330 Punkten oder dem langfristigen Aufwärtstrend geschah. Mit einer zumindest bedingt vergleichbaren Entwicklung müssen wir auch dieses Mal rechnen.

Wieder einmal hätte ich rein gar nichts dagegen, wenn ich mit dieser mittel- bis langfristig noch immer sehr zurückhaltenden Einschätzung ganz schön schiefliegen und sich der DJSI diesen zweiten Rücksetzer sparen würde. Denn das hieße wohl, dass sich viele der aktuellen Krisen in Luft auflösen und diese sich nicht allzu sehr weiter erwärmen wird. Es könnte der Beginn einer fast perfekten Welt sein, nach der wir uns doch alle sehnen. Gemessen an historischen Erfahrungen, ist die Wahrscheinlichkeit dafür zwar sehr überschaubar. Dennoch bleibt Hoffnung das Gebot der Stunde. COP 27 und alle ihre Nachfolger müssen ein Erfolg und die Menschheit sich endlich einig werden. Die Osterinsel mahnt.

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