"Seit der Gründung des IPC 1989 bin ich Mitglied der paralympischen Bewegung, doch für diese Entscheidung schäme ich mich zutiefst", sagte Chef de Mission Karl Quade. Als er anschließend vom Jubel über die beschämende Entscheidung aus dem russischen Haus berichtete, kamen dem erfahrenen DBS-Vize sogar die Tränen.
Auch DBS-Präsident Friedhelm-Julius Beucher war völlig aufgebracht. Der IPC-Beschluss sei "inakzeptabel und in der derzeitigen weltpolitischen Lage ein völlig falsches Signal", klagte der 75-Jährige mit finsterer Miene. Dies sei "Killefitz" und "Etikettenschwindel", "eine dunkle Seite in der Geschichte des IPC, und die Sache ist noch nicht vergessen".
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Das IPC habe sich trotz der Kriegsgräuel in der Ukraine nicht "auf die Seite der Menschlichkeit" geschlagen, kritisierte Beucher. Vielmehr habe das 14-köpfige Governing Board "mit einem Regelwerk argumentiert, während in der Ukraine ohne Regeln geschossen und gemordet wird".
DOSB teilt Meinung des DBS: "Entscheidung falsch"
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) stellte sich an die Seite des DBS. Man halte die Entscheidung für falsch, teilte DOSB-Präsident Thomas Weikert mit: "Eine auf Umbenennung in vermeintlich 'Neutrale' basierende Teilnahme unterläuft Absicht und Ziel der Sanktionen, dem eklatanten Bruch des Völkerrechts mit weltweit sichtbaren Zeichen zu begegnen."
Die Spiele für Menschen mit körperlicher Behinderung werden am Freitag in Peking eröffnet. Er sei gespannt, sagte Quade, "was bei der Eröffnungsfeier passiert". Eine generelle Absage der Paralympics aus Sicht des DBS schloss er aus. Das müsse "jeder Athlet selbst entscheiden, ob er startet oder nicht".
Das IPC beschloss am Mittwoch, dass die Teams aus Russland und Belarus trotz des Angriffskrieges der Russen gegen die Ukraine neutral und unter paralympischer Flagge antreten dürfen. Beide Verbände werden zudem nicht im Medaillenspiegel berücksichtigt. Dass Russlands Despot Wladimir Putin der Paralympische Orden entzogen wird? Geschenkt!
Das IPC verurteile zwar "die grobe Verletzung des Olympischen Waffenstillstands durch die russische und die belarussische Regierung", sagte Parsons. Bei der Entscheidung über Maßnahmen sei es aber "von grundlegender Bedeutung, politisch neutral zu bleiben". Parsons sprach von der "härtesten Bestrafung, die wir im Rahmen der aktuellen IPC-Regeln verhängen können".
IPC-Präsident Parsons ruft zur Geschlossenheit auf
Das IPC steht mit seiner fatalen Entscheidung ziemlich alleine da. Selbst das stets zögerliche Internationale Olympische Komitee (IOC), zahlreiche Fachverbände sowie die großen Fußballverbände FIFA und UEFA hatten sich unter steigendem Druck zu einer harten Haltung gegen Russland und Belarus durchgerungen und die Verbände suspendiert.
Parsons rief derweil zur Geschlossenheit auf. "Jetzt, da diese Entscheidung getroffen wurde, erwarte ich von allen teilnehmenden NPCs, dass sie die neutralen Athleten wie jeden anderen Athleten bei diesen Spielen behandeln, egal, wie schwierig dies auch sein mag", sagte Parsons. Im Gegensatz zu ihren jeweiligen Regierungen seien "diese paralympischen Athleten und Funktionäre nicht die Aggressoren".
Es sei "von entscheidender Bedeutung", ergänzte der IPC-Präsident, "dass wir den führenden Persönlichkeiten der Welt durch unseren Sport zeigen, dass wir uns als Menschen vereinen können und dass unsere wahre Kraft darin liegt, Frieden, Verständnis und Inklusion zu fördern", Das sollte man "jetzt nicht aus den Augen verlieren, egal, unter welchen Umständen".
DBS mit 18 Athletinnen und Athleten am Start
Ob dies das 20-köpfige ukrainische Team, das am Mittwoch in Peking landete, auch so sieht? Die Delegation hatte nach der russischen Invasion in einem offenen Brief an IOC-Präsident Thomas Bach und an Parsons bereits den Ausschluss von Russland und Belarus gefordert.
Die Russen waren schon vor vier Jahren bei den Paralympics in Pyeongchang wegen des Doping-Skandals von Sotschi unter neutraler Flagge gestartet. Im Medaillenspiegel belegte das Team hinter den USA (36) mit 24 Medaillen den zweiten Platz. Belarus gewann zwölf Medaillen.
Der DBS ist mit 18 Athletinnen und Athleten am Start, dazu werden die Sehbehinderten von sechs Guides unterstützt. Es finden 78 Wettbewerbe in sechs Sportarten statt. Insgesamt sind in Peking rund 650 Athletinnen und Athleten aus 47 nationalen paralympischen Komitees dabei - plus Russland und Belarus unter IPC-Flagge.
(SID)
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