Neues Album „Dawn FM“ : The Weeknd verbeugt sich vor Michael Jackson
Der kanadische Superstar hat über Nacht sein neues Album veröffentlicht. „Dawn FM“ bietet eine Radioshow für die Autofahrt durch die Dunkelheit ins Licht. Die 16 Stücke pendeln zwischen bizarr und eingängig.
The Weeknd, einer der größten Solo-Performer der Welt, hat in der Nacht zu Freitag sein neues Album veröffentlicht. Den 31 Jahre alten Musiker, der als Abel Tesfaye in Toronto geboren wurde, dürften die meisten wegen seines Hits „Blinding Lights“ kennen. Das Stück war das erfolgreichste Lied des Jahres 2020, es läuft immer noch immerzu im Radio, und jedes Mal kann man nicht anders, als es lauter zu stellen.
„Dawn FM“ heißt das neue Album, und es ist angelegt wie eine Radioshow. Der Künstler stellt sich vor, man höre sie auf der Autofahrt durchs Fegefeuer. Der DJ, der die Show präsentiert, ist der Schauspieler Jim Carrey. „Enstpannt euch“, murmelspricht Carrey, „ihr wart ohnehin schon viel zu lange in der Dunkelheit.“ Da nickt der pandemiegebeutelte Hörer. The Weeknd und Carrey kennen sich übrigens, weil sie nicht weit voneinander entfernt wohnen und irgendwann entdeckten, dass beide ein Teleskop am Fenster stehen haben.
Das Album ist ziemlich gut, auch wenn es wie zuletzt jede Platte eines großen Popstars etwas zu lang geraten ist. Aber je mehr Stücke, desto mehr Streaming-Aufrufe. Produziert wurden die 16 Titel von Max Martin, der von Britney Spears bis Taylor Swift ja für unglaublich viele Künstler Welthits geliefert hat. Außerdem arbeitete Daniel Lopatin mit, und da wird es interessant. Denn der Mann, der sein eigenes Musik-Projekt Oneohtrix Point Never nennt, gehört zur Elektronik-Avantgdarde, zu den Erneuerern des Populären.
„Dawn FM“ pendelt dann auch angenehm zwischen schräg und eingängig. „Every Angel is Terryfying“ mutet wie ein Trailer für eine 80er-Jahre Filmproduktion an, die gerade auf VHS erschienen ist. Die Ballade „Less Than Zero“ bietet die schönste Gesangsperformance von The Weekend bisher.
Der Mann, dessen Stil vielleicht am ehesten als sardonisch-nihilistischer RnB zu bezeichnen ist, betont noch einmal seine Liebe zum Werk Michael Jacksons. Nach dem Vorbild des Daft-Punk-Stücks „Giorgio By Giorgio“, auf dem der Held des französischen Duos 2013 über seine Ästhetik sprach, erzählt Quincy Jones in „A Tale by Quincy“ von seiner elternlosen Jugend. Jones hat die größten Werke Michael Jacksons produziert, und gleich im Abschluss bringt The Weeknd dem Anlass entsprechend „Out Of Time“, das locker auch für Jacksons Platte „Off The Wall“ hätte geschrieben sein können.
Ansonsten gibt es eine bemerkenswerte Hinwendung zur mittleren Phase von Depeche Mode. Die schwarze Seite der 1980er-Jahre ist ohnehin die Zeit, die The Weeknd offensichtlich am meisten verehrt. Düsterer, treibender Synthie-Glamour mit samtweichen Beats. Man höre nur „Gasoline“. Es ist, als habe er den Film „Drive“ im Kopf, in dem Ryan Gosling in Hochglanz-Jacke mit aufgesticktem Skorpion seinen Job erledigt: hochschalten und schnell sein.
In den Texten geht es wie gewohnt viel um bizarre Zuneigung, aber neuerdings auch um die Erfolge, mit denen sich bestens angeben lässt. Als Gäste werden die Rapper Lil’ Wayne und Tyler, The Creator begrüßt. Am Ende dieses beeindruckenden Albums sagt Jim Carrey mit Schmeichelstimme: „You gotta be heaven to see heaven / May peace be with you.“
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