Es sind Sätze, die für den FC Schalke 04 extrem sind. „Als Grund für seine Entscheidung nannte Alexander Jobst die anonymen Anfeindungen bis hin zu Bedrohungen, denen er und seiner Familie seit einiger Zeit ausgesetzt sind“, heißt es in der am Donnerstag veröffentlichen Mitteilung des Tabellenletzten der Bundesliga: „Bei allem Verständnis für Ärger, Frust und dabei auch heftigen Äußerungen ist für ihn damit eine rote Linie überschritten worden.“
Angst einflößende Situation
Was ist geschehen? Alexander Jobst, seit 2011 Vorstand für Marketing, Vertrieb und Organisation beim FC Schalke, will nicht mehr. Er ist zermürbt von den Attacken, die sich größtenteils anonym gegen ihn richten. Deshalb zieht er die Reißleine. In der vergangenen Woche trat der 47-Jährige mit dem Anliegen, seinen Arbeitsvertrag aufzulösen, erstmals vor den Aufsichtsrat. Eine Woche später, am Mittwochabend, wurde seinem Ersuchen entsprochen: Jobst geht auf eigenen Wunsch zum 30. Juni.
„Wir verlieren Alexander Jobst nur sehr ungern“, erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende Jens Buchta: „Die Zusammenarbeit war immer sehr vertrauensvoll und professionell. Der FC Schalke 04 verliert einen überall anerkannten Fachmann, dessen Erfolge für sich sprechen.“
Tatsächlich hat Jobst in der vergangenen Dekade einen beachtlichen Job gemacht: Der Unternehmenswert von Schalke wurde in dieser Zeit erheblich gesteigert, die jährlichen Vermarktungserlöse wuchsen zeitweise auf über 90 Millionen Euro. Obwohl die sportliche Entwicklung in den zurückliegenden zwei Jahren entgegengesetzt verlief.
Es ist allerdings nicht der Gang in die Zweite Liga, der Jobst zum Aufhören bewegt. Es sind die Strömungen, die den Verein im Zuge der Krise erfasst haben. Die extreme Unzufriedenheit der Fans war zuletzt zugleich auch Nährboden für Auseinandersetzungen, die von einer kleinen, aber stetig wachsenden Minderheit immer persönlicher und diffamierender geführt werden. Was sich für die Öffentlichkeit durch Rücktrittsforderungen auf immer wieder am Vereinsgelände aufgehängten Transparenten darstellte, war zugleich auch eine perfide Kampagne und eine angsteinflößende Situation für mehrere Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder. Bei ihnen gingen anonyme E-Mails mit Drohungen ein – die sich teilweise auch auf ihre Familienmitglieder erstreckten. Ein Cybermobbing der übelsten Art.
Dies betraf nicht nur Jobst. Auch Aufsichtsratschef Buchta hatte in der vergangenen Woche davon berichtet. In ihm sahen viele Fans den Grund dafür, dass der beliebte Ralf Rangnick, den eine Oppositionsgruppe durchsetzen wollte, nicht Sportvorstand wurde. Dabei hatte es angesichts der prekären wirtschaftlichen Situation ohnehin nie große Chancen gegeben, Rangnick zu verpflichten.
Dies belegen auch Modellrechnungen, die die neue Finanzvorständin Christina Rühl-Hamers für die kommende Saison mit dem unausweichlichen Zweitligaszenario anstellte: Es ist davon auszugehen, dass das Budget für die Mannschaft zwischen 20 und 25 Millionen liegen wird. Es kam, wie es kommen musste: Rangnick sagte ab, mittlerweile wurde Peter Knäbel zum neuen Sportvorstand berufen.
Für viele Fans war Buchta trotzdem der Buhmann. „Wenn es persönliche Bedrohungen per E-Mail oder SMS gibt, die zum Teil sogar körperliche Bedrohungen beinhalten, dann sollten wir vielleicht alle mal innehalten, uns auf das Schalker Leitbild besinnen und einen faireren Umgang miteinander pflegen“, sagte der Rechtsanwalt, der seine Tätigkeit ehrenamtlich ausübt.
Buchtas Appell verfehlte jedoch seine Wirkung – zumindest bei den fanatisierten Menschen, für die die Bezeichnung Fans kaum angemessen ist. In der Konsequenz verliert Schalke nun einen Marketingfachmann, der im Hinblick auf die Herausforderungen der Zukunft hätte wertvolle Dienste leisten können.
Jobst, der im Gegensatz zu den meisten Schalker Vorstandsmitgliedern nie einen Hehl daraus gemacht hatte, dass er eine Ausgliederung der Profiabteilung und eine Öffnung für strategische Investoren für unumgänglich hält, war bei den organisierten Fans nie beliebt. Gleichwohl müssen selbst seine Kritiker einräumen, dass er einen guten funktionierenden Bereich geleitet hat. Erst in der vergangenen Woche war es unter seiner Federführung gelungen, den bisherigen Vertrag mit Hauptsponsor Gazprom trotz des wahrscheinlichen Abstiegs bis 2025 zu verlängern.
„Wir haben für die Zweite Liga bereits frühzeitig ein Fundament in den Vermarktungserlösen geschaffen, wie es die meisten Vereine in der Ersten Liga nicht haben“, sagte Jobst. Es sei ihm „eine Ehre“ gewesen, für Schalke 04 zu arbeiten.
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